Porträt eines Kugelsternhaufens
von Stefan Deiters astronews.com
31. Oktober 2012
Die europäische Südsternwarte ESO hat heute eine neue
Aufnahme des Kugelsternhaufens NGC 6362 veröffentlicht, die auf Daten des
Wide Field Imager am MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop in La Silla basiert. Der
Sternhaufen ist relativ unbekannt, wurde jedoch kürzlich auch vom
Weltraumteleskop Hubble anvisiert. In dem Haufen befinden sich einige
eigentümliche Sterne.
Kugelsternhaufen gehören mit zu den ältesten Objekten im Universum. NGC 6362,
in rund 25.000 Lichtjahren Entfernung im südlichen Sternbild Altar gelegen, ist
da keine Ausnahme. Die vielen gelblich leuchtenden Sterne, die in dem
Kugelsternhaufen zu sehen sind, haben den größten Teil ihres Lebens bereits
hinter sich und sind zu roten Riesen geworden.
Die Sterne in Kugelsternhaufen sind alle zur selben Zeit entstanden und
dürften um die zehn Milliarden Jahre alt sein. Die Entwicklung von Sternen läuft
umso schneller ab, je massereicher sie sind. Je größer ihre Masse nämlich ist,
desto heller leuchten sie und desto schneller verbrauchen sie ihren nuklearen
Brennstoff. Da Astronomen für jeden Stern einer bestimmten Anfangsmasse eine
Lebensdauer berechnen können, haben sie auch recht genaue Vorstellungen davon,
welche Sterne in einem Kugelsternhaufen eines bestimmten Alters noch leuchten
können und welche schon längst als Supernova explodiert oder zu Weißen Zwergen
geworden sein sollten.
Doch insbesondere in den dichten Zentren von Kugelsternhaufen stießen die
Wissenschaftler immer wieder auf Sterne, die deutlich heller - und damit
massereicher - waren, als es die Sterne in diesem Haufen eigentlich sein
sollten. Sie tauften sie "Blue Straggler", also "blaue Nachzügler" und
rätselten, warum diese massereichen Sterne noch immer leuchten, als könnte ihnen
zehn Milliarden Jahre nichts anhaben. Auch in NGC 6362 finden sich zahlreiche
dieser Blue Straggler. Inzwischen haben die Astronomen eine Theorie entwickelt,
wie sie entstanden sein könnten.
In den Zentren von Kugelsternhaufen haben die Sterne einen sehr viel
geringeren Abstand voneinander als beispielsweise in unserer stellaren
Nachbarschaft. Aus diesem Grund kann es dort viel häufiger zu dichten
Begegnungen und sogar zu Kollisionen kommen. Eine Theorie über die Entstehung
von Blue Stragglern besagt nun, dass sie durch die Kollision von zwei normalen
Sternen entstanden sind, die durch den Zusammenprall verschmolzen sind, wodurch
dann ein Stern mit höherer Masse zurückgeblieben ist. Alternativ könnten Blue
Straggler auch in einem engen Doppelsternsystem entstanden sein, wobei ein
Partner Material von einem anderen Stern aufgenommen und sich dadurch praktisch
verjüngt hat.
NGC 6362 wurde unlängst auch vom Weltraumteleskop Hubble
anvisiert. Während das heute veröffentlichte Bild des MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop
in La Silla den Kugelsternhaufen vor dem Hintergrund der Sterne der Milchstraße
zeigt, hat Hubble den Zentralbereich des Haufens anvisiert und damit
einmal wieder demonstriert, welche Details das Weltraumteleskop sichtbar machen
kann. Das Bild war am Montag als unser
Bild
des Tages zu sehen. Der Kugelsternhaufen wurde erstmals 1826 vom
schottischen Astronomen James Dunlop von Australien aus beobachtet und lässt
sich bereits mit kleinen Amateurteleskopen betrachten.
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