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HERSCHEL
Tiefe Einblicke in die Geburtsstätten von Sternen
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie
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30. Oktober 2012

Mit dem europäischen Infrarot-Weltraumteleskop Herschel ist Astronomen nun ein detaillierter Blick auf die frühesten Phasen der Sternentstehung gelungen. Unter Verwendung eines neuen Auswertungsverfahren konnten sie unter anderem eine dreidimensionale Karte der Dunkelwolke Barnard 68 erstellen, die in naher Zukunft Geburtsort eines Sterns niedriger Masse werden könnte.

Barnard 68

Falschfarbenbild der Dunkelwolke Barnard 68 aus Daten des Weltraumteleskops Herschel bei unterschiedlichen Wellenlängen im Ferninfrarotbereich. Bild: MPIA / Markus Nielbock [Großansicht

Sterne werden geboren, wenn Wolken aus Gas und Staub unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabieren. Die Wolken liefern allerdings nicht nur das Rohmaterial für die Sternentstehung, sondern absorbieren auch einen Großteil des Lichts, das im Wolkeninneren entsteht, und entziehen die entscheidenden Details der Sterngeburt auf diese Weise den Blicken der Astronomen. Diese müssen sich daher einiges einfallen lassen, um die Sternentstehung zu erforschen.

Jetzt haben zwei Gruppen im sogenannten EPoS-Projekt - EPoS steht für "Earliest Phases of Star formation", also die "frühsten Phasen der Sternentstehung" -  mit Hilfe des Herschel-Weltraumteleskops der europäischen Weltraumagentur ESA tiefer und genauer als je zuvor in das Innere einiger der Dunkelwolken hineingeblickt, in denen Sterne entstehen - und dabei einiges Neues über Sterngeburten herausgefunden.

Auf der Suche nach dem Ursprung von Sternen mit niedriger Masse, also mit weniger als dem Doppelten der Masse unserer Sonne, hat sich eine Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Markus Nielbock vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg eine der bestuntersuchten potenziellen Sternkinderstuben vorgenommen: die Dunkelwolke Barnard 68 im Sternbild Schlangenträger (astronews.com berichtete).

Die Wissenschaftler machten sich zunächst die Fähigkeiten des Weltraumteleskops Herschel zunutze, Aufnahmen in nie erreichter Empfindlichkeit und Detailschärfe im Bereich des Ferninfrarotlichts anzufertigen. Dann wandten sie eine Methode an, die man häufiger als in der Astronomie in Spezialstudios findet, die für Hollywoodfilme computergenerierte Bilder erstellen. So entstand das bislang realistischste 3D-Modell der Dunkelwolke.

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Die Methode, die von MPIA-Astronom Ralf Launhardt an die Erfordernisse der Astronomen angepasst wurde, ist das sogenannte Raytracing (wörtlich "Strahlverfolgung"). Dazu wurde jeder Lichtstrahl, der uns von Barnard 68 erreicht, per Computer virtuell in die Wolke zurückverfolgt; an jedem Ort, den der Strahl passiert, berücksichtigt das Computerprogramm dann, ob dort Licht ausgesandt, absorbiert oder gestreut wird, und welche Wellenlängen das betreffende Licht hat.

Addiert man alle diese Beiträge auf, ergibt sich aus einem dreidimensionalen Wolkenmodell das zweidimensionale Bild, das ein Astronom aus der Ferne beobachten kann. Umgekehrt lässt sich die Technik einsetzen, um mit Hilfe vereinfachender Zusatzannahmen von dem Licht verschiedener Wellenlängen, das uns von Barnard 68 erreicht, auf ein Modell der dreidimensionalen Struktur der Wolke, ihrer Dichte- und Temperaturverteilung zu schließen.

Die Ergebnisse haben einiges von dem ins Wanken gebracht, das Astronomen über Barnard 68 zu wissen glaubten. Es ergibt sich ein Bild von Barnard 68 als Wolke, die aus dem Kollaps eines länglichen Filaments entstanden sein dürfte und durch ungleichmäßige Strahlung, die vor allem aus der Scheibenebene unserer Heimatgalaxie stammt, aufgeheizt wird. Die Astronomen fanden außerdem Anzeichen für eine weitere kleine Wolke, die mit Barnard 68 kollidiert und deren Existenz in einer früheren Studie vorausgesagt worden war. Die Kollision könnte den Kollaps von Barnard 68 einleiten, und innerhalb der nächsten Hunderttausende von Jahren könnten darin einer oder mehrere Sterne mit geringer Masse geboren werden.

Verglichen mit anderen Dunkelwolken ist Barnard 68 recht klein. In Wolken dieser Größe werden höchstens einige wenige massearme Sterne entstehen. Zur Erforschung der Entstehung massereicher Sterne hat eine weitere EPoS-Gruppe unter der Leitung von MPIA-Astronomin Sarah Ragan 45 deutlich massereichere Dunkelwolken beobachtet. Solche Wolken enthalten zahlreiche sogenannte "Protosterne", Sternen-Embryos, aus denen sich im Laufe der Zeit neue Sterne entwickeln.

Mit der PACS-Kamera des Herschel-Teleskops konnten die Forscher um Ragan nun deutlich tiefer ins Wolkeninnere vordringen als es bei früheren Untersuchungen möglich war. So gelang es ihnen, die jüngsten und primitivsten derzeit bekannten Protosterne zu finden. Durch die neuen Beobachtungen wuchs die Zahl der bekannten Protosterne in den betreffenden Wolken von 330 auf knapp 500 an.

Am spannendsten ist dabei die Entdeckung eines neuen Typs von Sternenvorläufern: dichtere Regionen mit einer Temperatur von bloßen 15 Grad über dem absoluten Nullpunkt von -258 Grad Celsius, in denen kein Protostern nachzuweisen ist. Dabei dürfte es sich um die frühesten Stadien der Sternentstehung handeln. Den Modellen zufolge entsteht in solchen Regionen auf der astronomisch gesehen sehr kurzen Zeitskala von weniger als 1.000 Jahren ein neuer Protostern. Nähere Untersuchungen dieser Regionen dürften also einiges Neues über die Anfänge der Sternentstehung liefern.

Die Untersuchungen werden in zwei Fachartikeln beschrieben, die in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen.

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Herschels tiefe Einblicke in die Geburtsstätten von Sternen. Diskutieren Sie mit anderen Lesern im astronews.com Forum.
siehe auch
Barnard 68: Eine Sterngeburt wird angekündigt - 18. Juni 2009
Durchs Dunkel ins Licht - 5. Juli 1999
Links im WWW
Max-Planck-Institut für Astronomie
Herschel, Seite der ESA
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org (Nielbock et al.)
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org (Ragan et al.)
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