In unter sechs Stunden zur ISS
von Stefan Deiters astronews.com
2. August 2012
Normalerweise umrundet ein Progress-Raumfrachter 34
Mal die Erde, bevor er - rund zwei Tage nach dem Start - an die Internationale
Raumstation ISS andockt. In der letzten Nacht ging alles viel schneller: Nach
dem Start um 21.35 Uhr MESZ erreichte der Raumfrachter bereits nach nur vier
Erdumrundungen um 3.18 Uhr MESZ die ISS. Und auch dort hatte man zuvor etwas
Neues ausprobiert.
Der Raumfrachter
Progress 48 kurz vor dem Andocken an die ISS.
Bild: NASA TV |
Der 48. Versorgungsflug eines Progress-Raumfrachters war gleich aus
zwei Gründen eine Besonderheit in der Betriebsgeschichte der Internationalen
Raumstation ISS. Erstmals fanden Start und Rendezvous-Manöver mit der
Internationale Raumstation ISS innerhalb weniger Stunden statt. Zuvor war die
Raumstation zudem mit Hilfe eines neuen, Treibstoff-sparenden Verfahrens auf das
Andocken des Raumfrachters vorbereitet worden.
Vor dem Andocken eines Progress-Raumfrachters muss die ISS jeweils für
das Rendezvous-Manöver mit dem Raumschiff ausgerichtet werden. "In der
Vergangenheit haben wir die Fluglage der Station auf dem direkten Weg geändert",
erklärt Ken Longacre, einer der an der Entwicklung des neuen Manövers
beteiligten Experten.
Das neu entwickelte Verfahren, von den Ingenieuren Optimal Propellant
Maneuver (OPM) - also etwa Treibstoff-optimiertes Manöver - genannt,
setzt sich aus 55 Einzelmanövern zusammen. "Dabei nutzten wir die Kräfte, die
auf die Station wirken, um das Manöver zu unterstützen und können so deutlich
Treibstoff einsparen," so Longacre. Die NASA schätzt, dass der
Treibstoffverbrauch für die für ein Andocken erforderliche Lageänderung durch
das OPM um bis zu 90 Prozent reduziert werden kann.
Doch auch der Flug des Progress-Raumfrachters selbst stellte eine
Besonderheit dar: Das Versorgungsraumschiff hob gestern um 21.35 Uhr MESZ mit
drei Tonnen Versorgungsgütern von Baikonur aus ins All ab - und zwar genau zu
dem Zeitpunkt, zu dem Startrampe und die Bahnebene der Raumstation optimal
zueinander ausgerichtet waren und die Raumstation zudem nicht zu weit vom
Startplatz entfernt war.
Aus diesem Grund konnte der Raumfrachter die Station schon nach vier
Erdumrundungen erreichen und um 3.18 Uhr MESZ an die ISS andocken. Bislang waren
bei solchen Flügen, aber auch bei bemannten Sojus-Missionen, immer
ungefähr 24 Erdumrundungen und rund zwei Tage zwischen Start und Andockmanöver
vergangen. Wegen der spezielleren Voraussetzungen besteht nach NASA-Angaben nur
etwa alle drei Tage eine Startmöglichkeit für einen "schnellen" Flug zur ISS.
Ein Start zur längeren Variante ist ungefähr alle zwei Tage möglich.
Das schnelle Rendezvous der Progress-Kapsel mit der ISS gilt auch als
Test für die Verkürzung bemannter Sojus-Missionen. Die Sojus-Besatzung
muss sich bislang immer zwei Tage an Bord der engen Sojus-Kapsel
aufhalten. Ein nur wenige Stunden dauernder Flug würde die Reise zur ISS
erheblich bequemer machen und würde den Kosmonauten und Astronauten auch mehr
Zeit für ihre Arbeiten auf der ISS verschaffen. Einen solchen schnellen
Sojus-Flug könnte es eventuell schon im kommenden Jahr geben.
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