Ein System wie das Sonnensystem
von Stefan Deiters astronews.com
26. Juli 2012
In unserem Sonnensystem herrscht eine gewisse Ordnung: Alle
acht Planeten umkreisen die Sonne recht genau in der gleichen Bahnebene.
Extrasolare Welten, insbesondere Gasriesen auf engen Umlaufbahnen, zeigen da ein
ganz anderes Verhalten. Jetzt haben Astronomen um einen rund 10.000 Lichtjahre
entfernten Stern drei Planeten entdeckt, die auch in einer Ebene um ihre Sonne
kreisen.
Um Kepler-30
kreisen alle drei Planeten in einer Bahnebene um
den Zentralstern. Die Rotationsachse der Sonne
steht zudem senkrecht zu dieser Bahnebene.
Bild: Cristina Sanchis Ojeda |
"In unserem Sonnensystem bewegen sich die Planeten in der gleichen
Richtung um die Sonne wie diese sich um ihre eigene Achse dreht", erklärt
Roberto Sanchis-Ojeda, der am Massachusetts Institute of Technology
(MIT) gerade seine Doktorarbeit schreibt und der die Untersuchung durchführte,
die in dieser Woche in der Fachzeitschrift Nature vorgestellt wurde.
"Das deutet darauf hin, dass vermutlich alle Planeten einmal aus einer
rotierenden Scheibe entstanden sind." Für das untersuchte System Kepler-30 hätten
die Astronomen nun zeigen können, dass dort dasselbe passiert ist.
"Das sagt mir, dass unser Sonnensystem nicht irgendein Glücksfall ist",
urteilt MIT-Professor Josh Winn. "Die Tatsache, dass die Drehung unserer Sonne
mit dem Umlauf der Planeten übereinstimmt, ist offenbar nicht nur irgendein
merkwürdiger Zufall." Ausgangspunkt für die Untersuchung war der Versuch, hinter
das Geheimnis der Entstehung von sogenannten "heißen Jupitern" zu kommen. Dabei
handelt es sich um extrasolare Gasriesen, die ihren Zentralstern in äußerst
geringem Abstand umkreisen. Für einen Umlauf brauchen sie daher nur wenige
Stunden oder Tage.
Die Bahnen dieser heißen Jupiter sind in der Regel sehr unregelmäßig, was ein
Hinweis dafür sein könnte, dass sie erst nach der Entstehung des Planetensystems
in die unmittelbare Nähe des Zentralsterns gelangt sind und sich ganz woanders
gebildet haben - nämlich in deutlich größerer Entfernung von ihrer Sonne. Dort
könnten sich dann aber einige Gasriesen zu nahe gekommen und durch diese engen
Begegnungen entweder aus dem System katapultiert oder ins Innere gelenkt worden
sein. Astronomen nennen dies "planetare Streuung".
In jüngster Zeit hat man einige Systeme mit heißen Jupitern gefunden, die alle
auffällig geneigte Bahnen hatten, was die Theorie über die Entstehung durch eine
solche "Streuung" in der Frühphase des jeweiligen Systems bestätigen würde. Um
sich aber wirklich sicher zu sein, mussten die Astronomen auch Systeme
entdecken, in denen es keine heißen Jupiter gibt und wo die Planeten "ordentlich"
wie in unserem Sonnensystem ihre Bahnen ziehen. Dies wäre dann zumindest ein
Indiz dafür, dass nur die Systeme mit heißem Jupiter durch "planetare Streuung"
entstanden sind.
So hat sich Doktorand Sanchis-Ojeda in den Daten des Weltraumteleskops
Kepler auf die Suche gemacht. Kepler beobachtet ständig über
100.000 Sterne und sucht bei ihnen nach einem verräterischen leichten und
regelmäßigen Helligkeitsabfall, der sich durch einen vor dem Stern
vorüberziehenden Planeten erklären lässt. Mit diesem als Transitmethode
bezeichneten Verfahren wurden schon unzählige extrasolare Planeten aufgespürt (astronews.com
berichtete wiederholt).
Sanchis-Ojeda stieß schließlich auf das System Kepler-30 in rund 10.000
Lichtjahren Entfernung. Die Masse und die Helligkeit des Zentralsterns
entsprechen etwa der unsere Sonne. Um nun aber die Ausrichtung der Drehachse des
Sterns zu ermitteln, verfolgte er die "Sonnenflecken" auf dem fernen Stern.
"Diese kleinen schwarzen Flecken wandern durch die Rotation über den Stern",
erläutert Winn. "Wenn man davon Bilder machen könnte, wüsste man sofort, wie die
Rotationsachse des Sterns orientiert ist."
Allerdings ist Kepler-30 viel zu weit entfernt, um Sonnenflecken auf der
Oberfläche tatsächlich sehen zu können. Sonnenflecken sorgen aber für eine
zusätzliche Verringerung der Helligkeit des fernen Sterns und genau diesen
Sachverhalt machten sich die Astronomen zunutze. Während eines Transits sorgt
der Planet für eine Verringerung der Helligkeit seiner Sonne. Zieht er dabei
aber vor einem dunklen Sonnenfleck vorüber, fällt dieser Helligkeitsabfall
weniger deutlich aus. Dies macht sich in der Lichtkurve bemerkbar, mit der der
zeitliche Verlauf der Helligkeit des Sterns aufgenommen wird - es entsteht eine
kleine Zacke.
"Wenn man diese kleine Zacke eines Sonnenflecks entdeckt hat und beim
nächsten Transit sich der Sonnenfleck an einer anderen Stelle befindet, tritt
auch die Zacke woanders auf", erklärt Winn. "Aus dem Auftreten der Zacken
konnten wir so die Ausrichtung der Drehachse des Sterns bestimmen."
Sanchis-Ojeda errechnete, dass bei Kepler-30 die Rotationsachse des Sterns
senkrecht zur Bahnebene von dessen größten Planeten steht. Die Forscher
analysierten dann den gravitativen Einfluss der Planeten des Systems aufeinander
und die sich dadurch ergebenden Veränderungen der Umlaufzeiten. Sie schlossen
daraus, dass sich alle drei Planeten in der gleichen Ebene um ihren Zentralstern
bewegen müssen. Das System Kepler-30 ähnelt also tatsächlich unserem
Sonnensystem.
Der Fund liefert - so die Schlussfolgerung der Astronomen - ein weiteres
Indiz dafür, dass die Theorie über die Entstehung von Systemen mit heißen
Jupitern richtig sein könnte. Winn und seine Kollegen wollen nun noch weitere
Exoplanetensysteme analysieren und damit zusätzliche Belege sammeln. "Wir haben
sehnsüchtig auf ein System wie dieses gewartet", so Winn. "Es entspricht zwar
nicht exakt unserem Sonnensystem, aber es ist deutlich normaler; Planeten und
Stern sind aneinander ausgerichtet. Es ist das erste System, bei dem wir das
behaupten können - abgesehen von unserem Sonnensystem."
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