Hinweise auf globalen Ozean im Untergrund
von Stefan Deiters astronews.com
29. Juni 2012
Der Saturnmond Titan ist schon wegen seines auf Methan
basierenden Flüssigkeitskreislaufs, der dem Wasserkreislauf der Erde ähnelt,
eines der faszinierendsten Objekte im Sonnensystem. Beobachtungen der
Saturnsonde Cassini lieferten jetzt zudem eindeutige Indizien dafür,
dass es unter der eisigen Kruste des Mondes auch einen Ozean aus flüssigem
Wasser gibt.
Die Datenlage ist nach Ansicht der Wissenschaftler eindeutig: Mit Hilfe der
Saturnsonde Cassini haben die Forscher ermittelt, wie stark Titan auf
seiner Umlaufbahn um Saturn durch dessen Gezeitenkräfte verformt wird. Würde der
Trabant im Inneren ausschließlich aus festem Material bestehen, müsste man
Gezeitenberge, also durch die Anziehungskraft des Planeten verursachte
Verformungen, in einer Höhe von etwa einem Meter auf Titan beobachten können.
Mit Cassinis Hilfe stellten die Wissenschaftler aber nun fest, dass auf
dem Mond bis zu zehn Meter hohe Gezeitenberge entstehen - ein untrügliches
Zeichen dafür, dass Titan in seinem Inneren nicht nur aus festem Gestein
bestehen kann.
"Die Entdeckung von hohen Gezeiten auf Titan durch Cassini führt nahezu
unausweichlich zu der Schlussfolgerung, dass es unter der Oberfläche einen
verborgenen Ozean geben muss", so Luciano Iess von der Sapienza - Università
di Roma, der Erstautor eines Fachartikels in der Wissenschaftszeitschrift
Science, in dem die Resultate beschrieben werden. "Die Suche nach
Wasser ist ein wichtiges Ziel bei der Erforschung des Sonnensystems und jetzt
haben wir einen weiteren Ort gefunden, an dem es in großen Mengen vorkommt."
Titan umrundet den Saturn in nur 16 Tagen. Bei insgesamt sechs nahen
Vorüberflügen von Cassini an Titan konnten die Astronomen die genaue
Form des Mondes an verschiedenen Punkten seines Orbits bestimmen. Titan ist nicht exakt kugelförmig, sondern etwas langgezogen und gleicht damit
ein wenig einem
amerikanischen Football. Ist der Mond auf seiner Bahn dem Saturn besonders nahe,
ist er besonders langgezogen. Acht Tage später, wenn der Mond weiter vom
Ringplaneten entfernt ist, ähnelt er dann mehr einer Kugel.
Die Forscher stellten diese Verformungen des Mondes durch die exakte Vermessung
der Variationen der gravitativen Anziehungskraft von Titan auf Cassini
während der Vorüberflüge fest. Die Form des Mondes und die Verteilung der Masse
im Inneren beeinflusst nämlich geringfügig auch die Flugbahn der Sonde.
Dabei waren sich die Forscher anfangs gar nicht sicher, ob sich die zur
Entdeckung der Gezeitenberge notwendigen hochgenauen Messungen überhaupt
durchführen lassen würden. "Die Gezeitenberge, die Saturn auf Titan verursacht,
sind nicht sonderlich groß, wenn man sie mit den Gezeitenbergen vergleicht, die
Jupiter, der größte Planet im Sonnensystem, bei seinen Monden entstehen lässt",
so Sami Asmar vom Cassini-Team am Jet Propulsion Laboratory
der NASA. "Da wir auf Titan aber keine Bohrungen durchführen können, liefern die
Messungen der Gravitationskraft die besten Daten über das Innere des Mondes, die
wir bekommen können."
Die Ozeanschicht im Inneren von Titan muss nicht besonders mächtig sein, um die
beobachteten Gezeitenberge erklären zu können. Eine Flüssigkeitsschicht zwischen
einer äußeren deformierbaren Kruste und einem inneren festen Mantel würde schon
genügen, um die beobachteten Formveränderungen des Mondes bei einem Umlauf zu
erlauben. Da Titans Oberfläche größtenteils aus Wassereis besteht, vermuten die
Wissenschaftler, dass es sich auch bei dem Ozean im Untergrund hauptsächlich um
flüssiges Wasser handelt.
Das Vorhandensein von flüssigem Wasser auf Titan bedeutet nicht automatisch,
dass es dort auch Leben gibt. Die Wissenschaftler gehen bislang davon aus, dass
die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Leben größer ist, wenn flüssiges
Wasser in Kontakt mit Gestein kommt. Die jetzt vorgestellten Messungen lassen
allerdings keine Rückschlüsse darauf zu, ob der vermutete Ozean einen Boden aus
Gestein oder aus Eis hat.
"Dass es auf Titan eine Schicht mit flüssigem Wasser gibt, ist von großer
Bedeutung, da wir verstehen wollen, wie Methan im Inneren des Mondes gebunden
wird und wie es eventuell dann wieder als Gas an die Oberfläche gelangt", so
Cassini-Teammitglied Jonathan Lunine von der Cornell University.
"Das ist so wichtig, weil alles, was Titan so besonders macht, mit der
Anwesenheit einer großen Menge von Methan zu tun hat. Nur ist das Methan in der
Atmosphäre nicht sonderlich stabil und sollte in geologisch kurzer Zeit wieder
zerstört werden." Ein unterirdischer Ozean könnte nach Ansicht der Forscher
unter bestimmten Bedingungen als Methan-Reservoir dienen.
|