KRAWUMM! - Ein Plädoyer für den Weltuntergang
von
Stefan Deiters astronews.com
28. Juni 2012
Mit KRAWUMM! legt Florian Freistetter zwar kein Plädoyer für
den Weltuntergang vor, führt seinen Lesern aber unterhaltsam vor Augen, was wir Kollisionen
im All alles zu verdanken haben. Nebenbei erfährt man eine ganze Menge über die
Sonne, die Planeten und das Universum und dürfte am Ende nicht mehr so leicht
auf Weltuntergangspropheten
hereinfallen.
Florian Freistetter, KRAWUMM! - Ein Plädoyer
für den Weltuntergang, Ecowin Verlag, Salzburg, 22,90 Euro
Bild: Ecowin Verlag (Cover des besprochenen Buchs) |
Der Buchtitel, dies gleich vorweg, ist eine Mogelpackung: Wer nämlich das
knapp 200 Seiten umfassende Buch gekauft hat, um zu erfahren, warum man sich
auf einen potentiell bevorstehenden Weltuntergang freuen sollte, dürfte nach
der Lektüre enttäuscht sein. Allerdings dürfte er oder sie gleichzeitig auch eine ganze Menge über
unser Sonnensystem, unsere Galaxie und sogar das Universum gelernt haben -
auch dank eines sehr unkomplizierten Plaudertons, bei dem niemand befürchten
muss, dass schon auf der nächsten Seite auf längst verschüttete Kenntnisse aus dem Mathematik- oder
Physikunterricht zurückgegriffen wird.
Der Autor Florian Freistetter ist manchem vielleicht durch sein
Astronomie-Blog "Astrodicticum simplex" bekannt. Seit 2008 setzt er sich hier
auf eine erfrischende und unterhaltsame Art unter anderem mit aktuellen Forschungsergebnissen
und Entwicklungen aus der Astronomie auseinander - und mit dem, was in den
Medien manchmal daraus gemacht wird. Freistetter weiß dabei, worüber er
schreibt: Er ist promovierter Astronom und beschäftigte sich unter anderem mit
erdnahen Asteroiden und der Stabilität von Planetensystemen.
Da Freistetter inzwischen als Wissenschaftsautor arbeitet, lag es natürlich nahe, sich
mit diesem Themenkomplex auch einmal
ausführlicher in Buchform zu befassen - gerade angesichts des "Weltuntergangsjahrs"
2012, auf den der recht reißerische Buchtitel und dessen Gestaltung anspielen mag. Doch Freistetter
beschränkt sich in "KRAWUMM!" nicht darauf, die Gefährdung der Erde durch
Asteroiden zu beschreiben und mögliche Missionsszenarien zu diskutieren, durch
die eine Kollision mit einem Brocken aus dem All verhindert werden könnte. Der
Autor nutzt den Oberbegriff "KRAWUMM!" vielmehr, um aufzuzeigen, welche wichtige
Rolle Kollisionen in der Entwicklung des Universums spielten und warum es die
Menschheit heute gar nicht geben würde, wenn es nicht mehrfach irgendwo
ordentlich "gerumst" hätte.
Wer den Stil von "Astrodicticum simplex" mag, wird sich auch in "KRAWUMM!"
schnell zu Hause fühlen. Freistetter nimmt seine Leser mit auf eine Reise zu
allen möglichen Orten im All, an denen es zu Kollisionen kommt - und das sind
erstaunlich viele: Das Innere der Sonne etwa, wo Kollisionen die nuklearen
Fusionsprozesse ermöglichen, oder die Staubscheibe um die junge Sonne, in der durch
wiederholte Kollisionen Planeten entstanden sind.
Zu diesen Planeten gehörte auch die Erde, die in ihrer Geschichte immer
wieder von den Brocken getroffen wurde, die aus der Zeit der Planetenentstehung
übrig geblieben sind - und vielleicht auch in Zukunft wieder getroffen werden
wird. Doch damit nicht genug: Kollisionen gibt es auch noch auf viel größeren
Maßstäben: So kollidieren ganze Galaxien oder sogar Galaxienhaufen miteinander
und eventuell sogar Universen. Den letzten Aspekt nutzt Freistetter als
Aufhänger für einen
Ausflug in die Welt der Stringtheorie und der Suche nach einer "Weltformel", die
das Universum in seiner Gesamtheit beschreibt.
Es ist offensichtlich, dass in einem knapp 200 Seiten starken Buch diese Vielzahl an
Themen nicht erschöpfend behandelt werden kann. Eventuell hätte man daher etwa auf den
Ausflug in die Welt der Stringtheorie am Ende lieber verzichten und stattdessen
andere Themen, wie die erdnahen Asteroiden, noch etwas ausführlicher behandeln
sollen.
Wer sich mit einzelnen Themen des Buchs schon einmal intensiver beschäftigt
hat, wird über diese Forschungsbereiche vermutlich nicht viel Neues erfahren -
abgesehen vielleicht, von einigen Anekdoten aus der Wissenschaftsgeschichte, mit
denen Freistetter das Buch immer wieder aufzulockern weiß. Für alle anderen
liefert das Buch einen unterhaltsamen und lehrreichen Überblick über eine ganze
Reihe von aktuellen astronomischen und physikalischen Forschungsgebieten und
zeigt, wie spannend Wissenschaft manchmal sein kann.
Außer einem Glossar, in dem die wichtigsten Begriffe des Buches noch einmal
erläutert werden, gibt Freistetter am Ende von "KRAWUMM!" noch Tipps für
weiterführende Literatur. Dabei konfrontiert er seine Leser nicht mit einer
langen Liste von Artikeln und Büchern, sondern empfiehlt gezielt einige Werke
und Artikel, die er für besonders lesenswert hält. Für jeden, der sich mit einem
der Themen intensiver beschäftigen möchte, sicherlich eine wertvolle Hilfe.
Freistetters Leser werden am Ende von "KRAWUMM!" sicherlich nicht davon
überzeugt sein, dass der Weltuntergang etwas Großartiges ist - doch das dürfte
der Autor mit seinem Buch auch gar nicht bezweckt haben. Stattdessen macht er
seinen Lesern gekonnt bewusst, welche wichtige Rolle Kollisionen im
Universum spielen und dass auch wir ihnen viel zu verdanken haben. Und ganz nebenbei
erfährt man noch jede Menge über Astronomie.
Dank des lockeren Schreibstils, der mehr an einen gemütlichen Abend in der
Kneipe als an eine akademische Veranstaltung erinnert, bietet "KRAWUMM!" zudem
einen einfachen, unterhaltsamen, aber gleichzeitig noch wissenschaftlich
seriösen Zugang zu Themen, die es immer wieder in die Schlagzeilen der
Boulevardmedien schaffen. Vor einem Planeten X etwa, der aus den Tiefen des Alls
auf die Erde zusteuert, dürften zumindest Freistetters Leser keine Angst mehr
haben. Angesichts der unzähligen Weltuntergangsseiten im Internet, kann man
"KRAWUMM!" daher nur möglichst viele Leser wünschen.
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