Die Atmosphäre von Tau Boötis b
von Stefan Deiters astronews.com
27. Juni 2012
Tau Boötis b war 1997 einer der ersten Planeten um eine
andere Sonne, die entdeckt wurde. Jetzt ist es mit Hilfe des Very Large
Telescope gelungen, die Atmosphäre dieser fernen Welt direkt zu untersuchen
und auch Masse und Orbit des Planeten erstmals präzise zu bestimmen. Das neue,
dazu eingesetzte Verfahren dürfte auch neue Erkenntnisse über eine Vielzahl
anderer extrasolarer Planeten liefern.
So stellt sich ein Künstler den Planeten Tau
Boötis b und seine Sonne vor.
Bild: ESO/L. Calçada |
Der 1997 entdeckte Planet Tau Boötis b war einer der ersten Planeten, die man
um einen anderen Stern aufgespürt hat und ist bis heute eine der uns am nächsten
gelegenen extrasolaren Welten. Das System im Sternbild Bärenhüter ist rund 50
Lichtjahre von der Erde entfernt. Tau Boötis b wurde vom Team um Geoffrey Marcy
und Paul Butler mit Hilfe einer Methode entdeckt, bei der nach dem leichten
Wackeln eines Sterns gefahndet wird, das ein umlaufender Planet verursacht.
Diese Vorgehensweise, mit der bislang die meisten extrasolaren Planeten entdeckt
wurden, wird als Radialgeschwindigkeitsmethode bezeichnet. Bei Tau Boötis b
handelt es sich um einen sogenannten "heißen Jupiter", also einen Gasriesen, der
seine Sonne in äußerst geringem Abstand umrundet.
Da man bei der Radialgeschwindigkeitsmethode nur aus der leichten
Positionsänderung des jeweiligen Zentralsterns auf den Planeten schließt, ließen
sich auf diese Weise entdeckte Planeten bislang in der Regel kaum weiter
untersuchen. Dies ist anders, wenn ein Planet durch die Transitmethode
aufgespürt wird, er also regelmäßig vor seiner Sonne vorüberzieht und diese
dadurch kurzzeitig leicht verdunkelt. Bei einem Transit durchläuft nämlich ein
Teil des Sternenlichts auch die Atmosphäre des Planeten, so dass ein dabei
gewonnenes Spektrum Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Atmosphäre erlaubt.
Tau Boötis b ist - wie Hunderte weitere inzwischen bekannte extrasolare
Planeten auch - aber kein Transitplanet, so dass weitere Informationen über die
ferne Welt bislang nicht zugänglich waren. Jetzt ist es Astronomen aber
gelungen, das schwache Leuchten des Planeten direkt aus dem gleißend hellen
Licht des Systems herauszufiltern und etwas über die Struktur der Atmosphäre von
Tau Boötis b sowie über die Masse des Planeten in Erfahrung zu bringen. Sie
nutzten dazu Daten des Cryogenic Infrared Echelle Spectrometer (CRIRES)
des Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte ESO.
Um die schwache Strahlung des Planeten von der des Sterns unterscheiden zu
können, nutzten die Astronomen Informationen über die Geschwindigkeit des
Planeten um seine Sonne. Das Verfahren hatte das Team zuvor bei einem
Transitplaneten getestet und damit die Bahngeschwindigkeit des Planeten während
des Transits bestimmt.
"Dank der qualitativ hochwertigen Beobachtungen mit dem VLT und CRIRES
konnten wir das Spektrum des Systems deutlich detaillierter untersuchen als es
zuvor möglich war", so Matteo Brogi von der Sternwarte in Leiden in den
Niederlanden. "Nur etwa 0,01 Prozent des Lichts, das wir sehen, kommt vom
Planeten, der Rest kommt vom Stern. Es war also nicht leicht". Die Beobachtungen
im infraroten Wellenlängenbereich haben dabei den Astronomen die Arbeit etwas
erleichtert, da der Stern im Infraroten nicht ganz so hell ist, wie im
sichtbaren Bereich des Lichts.
Die direkte Beobachtung des Planeten hat es den Astronomen auch erlaubt,
dessen Bahnneigung zu ermitteln - eine Information, die die
Radialgeschwindigkeitsmethode nicht liefert. Dies macht auch eine
Massenbestimmung der auf diese Weise entdeckten Planeten relativ ungenau. Die
neuen Messungen ergaben, dass Tau Boötis b seine Sonne mit einer Bahnneigung von
44 Grad umrundet und etwa die sechsfache Masse des Jupiter hat.
"Die neuen VLT-Beobachtungen lösen ein seit 15 Jahren bestehendes Rätsel über
die Masse von Tau Boötis b. Und dank des neuen Verfahrens können wir nun auch
die Atmosphären von extrasolaren Planeten untersuchen, bei denen sich keine
Transits beobachten lassen und auch ihre Masse genau bestimmen, was vorher nicht
möglich war", erläutert Teammitglied Ignas Snellen von der Sternwarte in Leiden
die Bedeutung der Studie. "Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn."
Die VLT-Beobachtungen lieferten zudem weitere Informationen über die
Atmosphäre von Tau Boötis b. So konnten die Astronomen den Kohlenmonoxidgehalt
bestimmen und haben - durch Vergleich mit theoretischen Modellen - auch die
Temperaturen in verschiedenen Höhen der Atmosphäre ermittelt. Zu ihrer
Überraschung stellten sie dabei fest, dass die Temperatur in größeren Höhen
niedriger zu sein scheint - bei anderen heißen Jupitern hatte man genau das
Gegenteil festgestellt.
"Diese Untersuchung zeigt, welches Potential aktuelle und zukünftige
erdgebundene Teleskope, wie etwa auch das E-ELT, haben", so Snellen. "Vielleicht
entdecken wir eines Tages mit diesem Verfahren Hinweise auf biologische
Aktivitäten auf einem erdähnlichen Planeten." Die Astronomen berichten über ihre
Untersuchungen in einem Fachartikel in der morgen erscheinenden Ausgabe der
Wissenschaftszeitschrift Nature.
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