Gasriese über dem Horizont
von Stefan Deiters astronews.com
26. Juni 2012
Mithilfe des Weltraumteleskops Kepler haben
Astronomen ein eigentümliches Planetensystem aufgespürt. Die beiden Welten um
den Stern Kepler-36 kommen sich auf ihrer Umlaufbahn regelmäßig so nahe, dass
der eine Planet am Himmel des anderen deutlich größer erscheinen dürfte als der
Vollmond von der Erde aus. Jetzt fragen sich die Astronomen, wie viele solcher
Systeme es noch gibt.
So könnte
Kepler-36c während einer Konjunktion von der
Oberfläche des kleineren Planeten Kepler-36b aus
aussehen.
Bild:
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics /
David A. Aguilar |
"Diese zwei Welten kommen sich regelmäßig sehr nahe", beschreibt Josh Carter
vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics das jetzt in
Science Express vorgestellte System. Und sein Kollege Eric Agol von der
University of Washington ergänzt: "Die Planeten kommen sich näher als in
jedem anderen Planetensystem, das bislang entdeckt wurde."
Die Astronomen spürten die eigentümlichen Welten in den Daten des NASA-Weltraumteleskops Kepler
auf, mit dem nach Planeten gefahndet wird, die - von der Erde aus gesehen -
direkt vor ihrer Sonne vorüberziehen und so für eine geringfügige, aber
regelmäßige Verdunklung ihrer Sonne sorgen.
Das jetzt entdeckte System besteht aus zwei Planeten, die den Stern Kepler-36
umrunden, der in etwa unserer Sonne gleicht, allerdings schon deutlich älter ist
und als sogenannter Unterriese die lange, ruhige Phase seines nuklearen Lebens
gerade hinter sich gelassen hat. Der Stern wird umrundet von Kepler-36b, einem
Planeten von etwa der 1,5-fachen Größe der Erde und mit ihrer 4,5-fachen Masse.
Dieser Planet umkreist den Stern alle 14 Tage in einem mittleren Abstand von
weniger als 18 Millionen Kilometern.
Nicht viel weiter vom Zentralstern entfernt ist Kepler-36c. Der Planet ist
3,7-mal größer als die Erde und hat ihre achtfache Masse. Er gleicht damit mehr
den kleineren Gasplaneten, die im äußeren Sonnensystem zu finden sind. Dieser
"heiße Neptun" umrundet Kepler-36 allerdings in nur 16 Tagen in einem Abstand
von lediglich rund 19 Millionen Kilometern.
Zu einer Konjunktion der beiden Planeten kommt es im Schnitt alle 97 Tage.
Dann ist ihre Entfernung voneinander geringer als der fünffache Abstand des
Mondes von der Erde. Da Kepler-36c aber größer als der Mond ist, erscheint er
von der Oberfläche von Kepler-36b aus deutlich größer als der Mond am irdischen
Himmel. Der kleinere Planet Kepler-36b würde am Himmel von Kepler-36c während
einer Konjunktion in etwa die Größe unseres Mondes haben. Während der
Konjunktionen dürften auf beide Planeten gewaltige Gezeitenkräfte wirken, die
auf Kepler-36b zu heftigem Vulkanismus führen könnten. Beide Planeten liegen
nicht in der lebensfreundlichen Zone um ihren Stern.
Jetzt bemühen sich die Astronomen zu verstehen, wie es zu dieser
eigentümlichen Konstellation der doch so unterschiedlichen Welten kommen konnte.
In unserem Sonnensystem sind Gesteinsplaneten und Gasplaneten nämlich weit
voneinander getrennt: Während die terrestrischen Gesteinswelten in relativ
geringem Abstand um die Sonne kreisen, bevölkern die Gasriesen die äußeren
Regionen unseres Planetensystems. Eventuell könnte es sogar noch deutlich mehr
dieser kuriosen Systeme geben: "Wir haben dieses nach einem ersten schnellen
Blick entdeckt", so Carter. "Wir durchforsten jetzt die Kepler-Daten,
um noch weitere solche Systeme zu finden."
Eine wichtige Rolle bei der Entdeckung spielte die detaillierte Auswertung
der natürlichen Schwingungen von Kepler-36. Man bezeichnet solche Untersuchungen
als Asteroseismologie. "Kepler-36 zeigte wunderschöne Oszillationen", so
Teammitglied Bill Chaplin von der University of Birmingham in
Großbritannien. "Durch die Messung dieser Schwingungen konnten wir die Größe,
Masse und das Alter des Sterns sehr präzise ermitteln. Ohne die
Asteroseismologie hätten wir die Eigenschaften der Planeten nie so genau
eingrenzen können."
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