Hermit hilft bei Sonnenwindforschung
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Würzburg astronews.com
22. Juni 2012
Wissenschaftler der Universität Würzburg wollen dem Ursprung der
schnellsten Elektronen im Sonnenwind auf die Spur kommen. Das Werkzeug
ihrer Wahl ist dabei allerdings kein Sonnenobservatorium, sondern der
Stuttgarter Superrechner Hermit. Hier stehen den Forschern jetzt 60
Millionen Stunden Rechenzeit für ihre Simulationen zur Verfügung.
Die Sonne bläst ständig Partikel ins All.
Hier eine besonders eindrucksvollen Sonneneruption
im Juni 2011 in einer
Aufnahme des Solar Dynamics Observatory.
Bild:: NASA/SDO |
Jede Sekunde schickt die Sonne rund eine Million Tonnen Materie ins
Weltall. Vor allem kleine und leichte Teilchen sind darin vertreten wie
Elektronen, Protonen und Alphateilchen. Als sogenannter Sonnenwind
breiten sie sich in alle Richtungen aus; einige von ihnen treffen nach
kurzer Zeit auch auf die Erdatmosphäre. "Die meisten dieser Teilchen
strömen mit einer Geschwindigkeit von etwa 400 Kilometer pro Sekunde an
der Erde vorbei. Allerdings haben Satellitenbeobachtungen gezeigt, dass
etwa eins von einer Milliarde Teilchen eine wesentlich größere
Geschwindigkeit aufweist, die mehr als das Hundertfache der üblichen
betragen kann", weiß Dr. Felix Spanier, wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Lehrstuhl für Astronomie der Universität Würzburg.
Gemeinsam mit seinem Doktoranden Patrick Kilian will Spanier in den kommenden
Monaten aufklären, woher dieser Geschwindigkeitsunterschied kommt. Ebenfalls an
dem Projekt beteiligt sind der Informatiker Stefan Siegel und der Masterstudent
Andreas Kempf. Wertvolle Unterstützung haben sie dafür unlängst von einer
Gutachterkommission am Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) bekommen:
Die Kommission hat der Gruppe um Felix Spanier 60 Millionen Stunden Rechenzeit
auf "Hermit", dem derzeit schnellsten zivilen Supercomputer in Europa, zur
Verfügung gestellt. "Damit können wir hochaufgelöste Simulationen durchführen,
die zeigen sollen, wie Elektronen so stark beschleunigt werden", so Spanier.
Hermit wurde erst am 28. Februar dieses Jahres in Stuttgart in Betrieb
genommen. Das von der Firma Cray gebaute System liefert mit seinen gut 7.000
Prozessoren insgesamt etwas über ein Peta-Flops, erledigt also eine Million
Milliarden Rechenschritte pro Sekunde. "Wie beim Zugang zu anderen Großgeräten
auch, wird die Rechenzeit nicht von der Universität eingekauft, sondern aufgrund
von Anträgen bewilligt", erklärt Kilian das Auswahlverfahren.
Wissenschaftler, die den Rechner für ihre Forschung nutzen wollen,
beschreiben ihr geplantes Projekt und begründen, wieso gerade ihnen Zugang
gewährt werden soll. Die Anträge werden üblicherweise zweimal im Jahr gebündelt
von Mitarbeitern des Rechenzentrums bewertet. Diese müssen klären, welche
Projekte machbar und sinnvoll sind, und vergeben dementsprechend Rechenzeit.
Doch woher könnten die schnellen Elektronen stammen? "Derzeit geht die
Wissenschaft davon aus, dass diese schnellen Teilchen erzeugt werden, wenn die
Sonne bei einer Eruption Masse auswirft und diese beim Auftreffen auf den
Sonnenwind eine Schockfront ausbildet", erklärt Kilian. Die Details dieser
Beschleunigung sind jedoch nicht vollständig bekannt, viele Fragen sind noch
offen. Antworten sollen die Untersuchungen der Würzburger Physiker liefern.
"Wir arbeiten mit hochaufgelösten Simulationen, die das Verhalten von
Milliarden von Elektronen und Protonen und die elektrischen und magnetischen
Felder zwischen ihnen zeitlich und räumlich aufgelöst berechnen", erklärt
Kilian. Weil Felder und Teilchen immer wechselseitig auf einander wirken,
bräuchten die Wissenschaftler für ihre Berechnungen keine Annahmen über die
Mikrophysik im Sonnenwind. Die komplexe Dynamik ergebe sich allein aus dem
Wechselspiel der Bestandteile. "Mit der von uns verwendeten Simulationstechnik
können wir sowohl den Weg als auch die Herkunft schneller Teilchen
zurückverfolgen und so den Mechanismus der Teilchenbeschleunigung besser
verstehen", hofft Kilian.
Nachtrag (22. Juni 2012, 19 Uhr): Da sich einige Leser
vielleicht gewundert haben, als Nachtrag eine kurze Erläuterung zu der auf den ersten
Blick ungewöhnlich hohen Zahl von 60 Millionen Rechenstunden, die dem Würzburger
Team bewilligt wurden. Die Rechenzeit für Höchstleistungsrechner wird in der
Regel pro Prozessorkern berechnet und Hermit verfügt über 113.644 Kerne. Jeder
der rund 7000 im Text erwähnten Prozessoren besteht nämlich aus 16 Kernen.
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