Ein Supernova-Typ mit zwei Varianten
von Stefan Deiters astronews.com
8. Mai 2012
Supernovae vom Typ Ia spielen in der Astronomie eine äußerst
wichtige Rolle, da sie als Entfernungsindikatoren verwendet werden. Unstrittig
ist bislang, dass bei einer Supernova dieses Typs ein Weißer Zwerg explodiert.
Wie es allerdings zu dieser Explosion kommt, dafür gibt es zwei verschiedene
Modelle. Eine neue Studie zeigt nun, dass offenbar beide Modelle regelmäßig in der Natur
vorkommen - und dies könnte Folgen haben.
Röntgenaufnahme
von Tychos Supernova, die der dänische Astronom
Tycho Brahe im Jahr 1572 beobachtete. Es handelte
sich um eine Supernova vom Typ Ia.
Bild: NASA / CXC / Rutgers / K. Eriksen
et al. (Röntgendaten) / DSS (sichtbares Licht)
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Supernovae vom Typ Ia sind für die Astronomen so etwas wie kosmische
Zollstöcke: Da es sich bei diesen Sternenexplosionen um das explosive Ende
eines ganz bestimmten Sternentyps, nämlich eines Weißen Zwergsterns, handelt,
sollten sie, so die Theorie der Wissenschaftler, eine
berechenbare Helligkeit aufweisen. Kennt man aber die wirkliche Helligkeit
eines Objekts, lässt sich durch Vergleich mit der beobachteten Helligkeit auf
der Erde, die Entfernung des Objektes berechnen. Da Supernovae sehr hell sind,
lassen sie sich auch noch über große Distanzen als Entfernungsindikator
verwenden und spielten beispielsweise auch bei der Entdeckung der Dunklen
Energie, die im vergangenen Jahr mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurde,
eine wichtige Rolle.
Weiße Zwerge sind ausgebrannte Reste von sonnenähnlichen Sternen und
neigen in der Regel nicht dazu, so ohne weiteres zu explodieren. Das kann nur
passieren, wenn sie eine bestimmte Grenzmasse überschreiten, wenn sie also
beispielsweise Teil eines Doppelsternsystems sind und von einem Riesenstern oder
einem normalen Stern umrundet werden, von dem sie ständig Material abziehen. Dies geschieht
dann so lange, bis irgendwann die kritische Grenzmasse erreicht ist
und der Weiße Zwerg explodiert.
Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit, die auf den ersten Blick
unwahrscheinlicher klingen mag, für deren Auftreten es aber in den letzten
Monaten mehr und mehr Hinweise gab (astronews.com berichtete).
Supernovae vom Typ Ia könnten auch durch die Verschmelzung von zwei Weißen
Zwergsternen ausgelöst werden, die sich zuvor in einem engen Doppelsternsystem
umkreist haben. "Frühere Studien haben zu
widersprüchlichen Ergebnissen geführt", so Ryan Foley vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. "Der Widerspruch verschwindet,
wenn beide Typen von Explosionen vorkommen."
Die verschiedenen Entstehungsvarianten sollten sich allerdings durch ein bestimmtes
Merkmal unterscheiden lassen: Wird der Weiße Zwerg vor der Explosion von einem
normalen Stern umkreist, sollte sich in der Umgebung der Supernova noch Gas des
Begleitsterns nachweisen lassen. Prallen hingegen zwei Weiße Zwerge zusammen,
dürfte kein Gas zu erkennen sein.
Foley und seine Kollegen haben deswegen 23 verschiedene Supernovae vom Typ Ia
untersucht und nach Hinweisen auf Gas um den Explosionsort Ausschau gehalten.
Dabei stellten die Astronomen fest, dass sich bei den stärkeren Explosionen in
der Regel Gas nachweisen ließ, allerdings nicht bei allen untersuchten
Supernovae Gas zu finden war. Bei manchen dürfte es sich also auch um Kollisionen zweier Weißer Zwerge gehandelt haben. "Es gibt also definitiv zwei
verschiedene Arten von Umgebungen - mit und ohne Ausfluss von Gas. Und beide
findet man um Supernovae vom Typ Ia", so Foley.
Die Analyse passt zu einer Reihe von Studien über Supernovae vom
Typ Ia aus den vergangenen Monaten, an deren Ende jeweils die Vermutung
stand, dass offenbar beide Auslöser-Modelle in der Natur vorkommen. Für die
Messung von Entfernungen, der Dunklen Energie und des sich ausdehnenden
Universums könnte der Sachverhalt wichtige Konsequenzen haben. Gibt es nämlich
zwei verschiedene Arten von Supernovae Ia, muss man diese auch getrennt
voneinander betrachten.
"Es ist als würde man das Universum mit verschiedenen Zollstöcken -
einige in Metern und die anderen in Yards - vermessen", vergleicht Foley. "Man kommt zwar
ungefähr zum gleichen Ergebnis, aber nicht wirklich." Ein Yard sind 0,91 Meter.
"Um eine genaue Antwort zu erhalten, muss man die Zollstöcke in Metern und die
in Yards sauber auseinanderhalten."
Doch noch etwas ganz anderes verblüfft die Wissenschaftler: "Wieso können Supernovae, die aus verschiedenen Ursprungssystemen
stammen, so ähnlich aussehen", fragt Foley. "Ich habe dafür keine Erklärung." Die Forscher berichten über ihre
Ergebnisse in einem Fachartikel in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal.
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