Kollisionen im Herkules-Galaxienhaufen
von Stefan Deiters astronews.com
7. März 2012
Die europäische Südsternwarte ESO hat heute eine
eindrucksvolle Aufnahme des Herkules-Galaxienhaufens veröffentlicht, die die
Astronomen mithilfe des VLT Survey Telescope auf dem Gipfel des
Paranal in Chile gemacht haben. Das Bild, das in weniger als drei Stunden
Beobachtungszeit entstand, zeigt unzählige Galaxien des Haufens in großer
Detailtreue. Viele davon beeinflussen sich gegenseitig.
Der Herkules-Galaxienhaufen.
Bild: ESO / INAF-VST / OmegaCAM /
OmegaCen / Astro-WISE / Kapteyn Institute [Großansicht] |
Der Herkules-Galaxienhaufen, der auch unter der Bezeichnung Abell 2151
bekannt ist, liegt rund 500 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im
Sternbild Herkules. Diese gewaltige Ansammlung von Galaxien unterscheidet sich
deutlich von anderen Haufen in unserer Umgebung, da sie sehr viele junge
Spiralgalaxien mit einer hohen Sternentstehungsrate enthält, jedoch keine
elliptischen Riesengalaxien, die sich sonst häufig in den Zentren von
Galaxienhaufen finden.
Das heute veröffentlichte Bild des Herkules-Galaxienhaufens wurde mit dem
VLT Survey Telescope (VST) der europäischen Südsternwarte ESO gemacht, dem
jüngsten Teleskop auf dem Gipfel des Paranal in Chile, der vor allem als
Standort des Very Large Telescope (VLT) bekannt ist. Wie der Name schon
andeutet, ist das 2,6-Meter VST für Himmelsdurchmusterungen ausgelegt und kann
mit seiner 268-Megapixel-Kamera große Bereiche des Himmels während nur einer
Beobachtung erfassen. Zusammen mit den exzellenten Beobachtungsbedingungen auf
dem Paranal ermöglicht das VST den Astronomen damit, ausgedehnte Objekte und
Strukturen in große Schärfe und Detailtreue zu studieren.
Seine zahlreichen Spiralgalaxien, die noch sehr viel Gas enthalten und
in denen mit einer hohen Rate neue Sterne entstehen, gleichen Spiralgalaxien,
die man in
deutlich größerer Entfernung - und damit im jüngeren Universum - beobachten
kann. Die Astronomen vermuten daher, dass der Herkules-Galaxienhaufen vergleichsweise jung ist
und sich erst noch zu einem Galaxienhaufen entwickeln muss, der mehr den
Galaxienansammlungen gleicht, die wir ansonsten in unserer Nachbarschaft
beobachten können. Eine entscheidende Rolle bei dieser Entwicklung spielen
Kollisionen und Verschmelzungen von Galaxien, durch die neue, massereichere
Systeme entstehen. Zahlreiche Beispiele für solche Wechselwirkungen zwischen
Galaxien sind auf dem Bild zu entdecken.
Galaxienhaufen entstehen, wenn sich kleinere Galaxiengruppen gegenseitig
anziehen und so eine größere Ansammlung von Galaxien bilden. Im Laufe der Zeit
wird dieser neue Galaxienhaufen dann immer kompakter und auch kugelförmiger.
Auch die Haufenmitglieder kommen sich immer näher. Die Spiralgalaxien, die die
Galaxiengruppen dominierten, wechselwirken miteinander, verlieren dabei ihr Gas
und werden zu irregulären Galaxien. Viele verschmelzen auch und es entstehen
elliptische Systeme. In älteren Galaxienhaufen findet man aus diesem Grund meist
elliptische oder irreguläre Galaxien und in den Zentren ein oder zwei
elliptische Riesengalaxien.
Auch die recht unregelmäßige Form des Herkules-Galaxienhaufens deutet darauf
hin, dass sich der Haufen noch in einer relativ frühen Phase seiner Entwicklung
befindet. Die Astronomen vermuten, dass er aus mindestens drei kleineren Haufen
oder Galaxiengruppen besteht, die sich gerade zu einer größeren Struktur
zusammenfinden.
Doch dies muss nicht das Ende der Entwicklungsgeschichte sein: Galaxienhaufen
wiederum können mit anderen Galaxienhaufen wechselwirken und schließlich
Supergalaxienhaufen bilden. Teleskope wie das VST, die große Himmelsbereiche
erfassen können, liefern den Astromomen wichtige Daten über die Randbereiche der
Galaxienhaufen, in denen sich die Folgen dieser Wechselwirkungen zwischen den
Haufen bemerkbar machen sollten.
Auf der neuen Aufnahme lassen sich zudem noch zahlreiche weiter entfernte
Galaxien ausmachen, die nicht Teil des Herkules-Galaxienhaufens sind. Auch zu
sehen sind einige helle Sterne der Milchstraße und sogar ein paar Asteroiden
unseres Sonnensystems, die sich durch eine kurze Leuchtspur verraten.
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