Raketenexperiment für sicherere Treibstofftanks
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des ZARM der Universität Bremen astronews.com
27. Februar 2012
Was passiert eigentlich im Treibstofftank eines Raumfahrzeugs, wenn
dieser plötzlich einer starken Wärmequelle ausgesetzt ist? Mit Versuchen
auf der Erde lässt sich diese Frage nur bedingt beantworten. Das zeigte
jetzt wieder ein Experiment, das Bremer Forscher auf der
Höhenforschungsrakete Maser-12 durchführten.
SOURCE 2 Experimentaufbau auf der
Höhenforschungsrakete Maser-12.
Bild: ZARM / idw |
Am 13. Februar 2012 um 10.30 Uhr MEZ startete die Höhenforschungsrakete
Maser-12 vom Esrange Space Center unweit der
nordschwedischen Stadt Kiruna ihren etwa sechsminütigen Flug im Dienste
der Forschung unter Schwerelosigkeit. Mit an Bord befand sich ein
Experiment vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und
Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen, das untersucht, welche
Prozesse im Falle der spontanen Erhitzung einer Flüssigkeit auftreten.
Die Ergebnisse sollen einen ersten Anhaltspunkt zu der Frage liefern,
was im Treibstofftank eines Raumfahrzeugs passiert, wenn dieser einer
starken Wärmequelle ausgesetzt wird.
Das Experiment SOURCE 2 (Sounding Rocket Compere Experiment)
ist das zweite innerhalb der Versuchsreihe der europäischen
Weltraumagentur ESA, in dem beobachtet wird, wie sich eine
Testflüssigkeit in einem Behälter verhält, der extrem unterschiedliche
Temperaturzonen hat. In sehr vereinfachter Form ist das auftretende
Phänomen vom Wasserkochen in einem Kochtopf bekannt. An der heißesten
Stelle des Kochtopfs beginnt das Wasser zu sieden. Das heißt, beim
Verdampfungsprozess bilden sich Blasen, die als heißer Dampf aus der
Flüssigkeit aufsteigen. Ein Teil dieses heißen Dampfes trifft auf den
kühleren Deckel des Kochtopfs, wo er wieder zu Wasser kondensiert.
Diese Verdampfungs- und Kondensationseffekte konnten nun auch unter
Schwerelosigkeit beobachtet werden. Dazu wurde ein Glaszylinder am
oberen Ende auf etwa 130 Grad Celsius erhitzt und am Boden mit Hilfe
einer Kühlplatte auf 35 Grad Celsius gehalten. Nach dem Start der
Maser-12-Rakete wurde der Zylinder mit kühler Testflüssigkeit
(Hydrofluorether) und 150 Grad Celsius heißem Dampf desselben Stoffs
befüllt. Aus dem Videomitschnitt wird sofort deutlich, dass sich dort,
wo die Flüssigkeit die heißen Wände der Testzelle berührt, Blasen
bilden. Durch die fehlende Gravitation steigen diese Blasen aber nicht
auf, sondern werden von der vorherrschenden Strömung mitgenommen.
Von besonderem Interesse ist auch die Auswertung der Druckverhältnisse
während des Experiments. Durch die Verdampfung der Flüssigkeit an der
heißen Wand steigt der Druck im Innern des geschlossenen Zylinders.
Durch die Kondensation des heißen Gases an der kühleren Flüssigkeit
hingegen sinkt der Druck. Überraschenderweise konnte das ZARM-Team
beobachten, dass der Einfluss der Kondensation stärker war als der
Verdampfungseffekt - der Druck fiel also ab anstatt zu steigen. Für die
Frage, wie ein Treibstofftank im Weltraum auf eine kurzfristige,
partielle Überhitzung reagiert und ob - oder auch wie lange - die
Wechselwirkung von Verdampfung und Kondensation die Entstehung eines
Überdrucks verhindert, ist dieses Ergebnis ein wichtiger Anhaltspunkt.
Die Auswertung der gesamten Daten der dreiminütigen Versuchsphase wird
voraussichtlich noch Monate dauern. Die ZARM-Wissenschaftler versprechen
sich aber weitere wichtige Erkenntnisse für das Tankdesign zukünftiger
Raketentriebwerke, die mit kryogenen Treibstoffen wie flüssigem
Wasserstoff oder Sauerstoff betrieben werden. Bereits im Mai 2008
konnten wertvolle sechs Minuten Experimentdauer unter Schwerelosigkeit
auf der Maser-11 für das erste SOURCE-Experiment genutzt
werden. Beide Experimente sind eingebunden in das "Microgravity
Application Program" der ESA.
|