Sterne entstehen nicht gleichzeitig
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
16. Februar 2012
Mit Hilfe des Large Binocular Telescope (LBT) in Arizona haben
Astronomen erstmals nachweisen können, dass die massereichen Sterne in
der galaktischen Sternentstehungsregion W3 Main nicht gleichzeitig
entstanden sind. Diese Entdeckung könnte wichtig für das generelle
Verständnis der Sternentstehung sein. Bislang war man nämlich gern davon
ausgegangen, dass die Mitglieder solcher Sterngruppen alle das gleiche
Alter haben.
LUCI-1 Aufnahme von W3 Main im Nah-Infrarot.
Bild: MPIA / Bik et al., ApJ, 744, 87
2012 [Großansicht] |
Massereiche Sterne - also Sterne mit der 10- bis 100-fachen Masse
unserer Sonne – bilden sich immer zusammen in Gruppen oder Haufen
innerhalb von dichten Wolken aus Gas und Staub, sogenannten
Molekülwolken. Ein Beispiel einer solchen Umgebung in unserer
Milchstraße ist W3 Main in einer Entfernung von 6.000 Lichtjahren. W3
Main ist Teil einer größeren Sternentstehungsregion im nördlichen
Sternbild Kassiopeia, dem "Himmels-W".
Die ursprüngliche Annahme jedoch, dass alle Sterne in solchen Gebieten
gleichzeitig entstehen, ist schon seit einiger Zeit infrage gestellt.
Vielmehr halten es Astronomen für möglich, dass eine zuerst entstandene
Generation von Sternen die Bildung einer späteren Generation erst
bewirkt oder zumindest beeinflusst. Der einzige Weg, die tatsächliche
Geschichte und den Zeitraum der Sternentstehung zu bestimmen, besteht
darin, das genaue Alter der Sterne zu messen.
Solche Beobachtungen sind allerdings eine Herausforderung, weil sich
massereiche Sterne tief eingebettet in Molekülwolken bilden und deshalb
hinter einem dichten und scheinbar undurchdringlichen Vorhang aus Gas
und Staub versteckt sind. Dies macht ihre Geburt und die Frühphasen
ihres Lebens unbeobachtbar für Teleskope, die im sichtbaren Bereich des
Lichts beobachten. Bei Beobachtungen in längeren Wellenlängen, im nahe
Infrarot, kann man aber durch den Staub hindurchsehen, so dass die
versteckten Sterne sichtbar werden.
Das neue LUCI-1 Instrument am Large Binocular Telescope (LBT) in
Arizona - ein Vielzweckinstrument für Spektren und Bilder im Nahinfrarot
- ist perfekt geeignet, um solche jungen und kürzlich entstandenen
massereichen Sterne zu studieren und deren Alter zu messen. Schon die
Bilder zeigen - im Gegensatz zu Aufnahmen im sichtbaren Bereich des
Lichts - zahlreiche junge Sterne in der Region. Bilder liefern jedoch
nur Informationen zu den Helligkeiten und Farben der Sterne und sind
deshalb nur begrenzt nützlich, um genaue stellare Eigenschaften zu
ermitteln.
Spektren hingegen sind wie Fingerabdrücke und erlauben eine viel bessere
Charakterisierung. Dort wird das Licht wie bei einem Regenbogen in seine
individuellen Farben (Wellenlängen) zerlegt und es zeigen sich
zahlreiche Spektrallinien, die Aufschluss über den chemischen und
physikalischen Zustand der Sterne geben. Dies erlaubt die Bestimmung
ihres Spektraltyps und damit eine genaue Messung der Leuchtkraft und
Temperatur. Daraus wiederum kann im Vergleich mit
Sternentwicklungsmodellen das Alter präzise bestimmt werden.
Spektren von einer repräsentativen Zahl der fernen und damit
lichtschwachen Sterne in W3 Main zu erhalten, erfordert jedoch lange
Beobachtungszeiten, um die notwendige Menge an Licht zu sammeln - auch
mit den größten Teleskopen. Doch jetzt gelang es einer Gruppe von
Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Arjan Bik vom Max-Planck
Institut für Astronomie in Heidelberg, hochqualitative Spektren von 16
der massereichsten Sterne in W3 Main gleichzeitig zu messen. Sie
verwendeten dazu den Multi-Objekt-Spektroskopie-Modus (MOS) des
Instruments.
"Zum ersten Mal waren wir in der Lage, das Alter von verschiedenen
Sternen innerhalb von W3 Main und die Zeitspanne ihrer Entstehung zu
bestimmen", erläutert Bik, der auch Erstautor eines Fachartikels über
die Untersuchungen im Astrophysical Journal ist. "Die ältesten
Sterne in dieser Region sind offenbar bereits zwei Millionen Jahre alt,
während andere Sterne deutlich jünger sind und sich gerade erst tief im
Innern ihrer Staubhülle bilden."
Das Ergebnis bestätigt, dass die Sternentstehung massereicher Sterne
tatsächlich sehr viel komplexer ist und kein einmaliges Ereignis sein
kann, sondern über Millionen Jahre andauert. Die neuen Daten lassen
vermuten, dass die Sternentstehung in W3 Main vor zwei Millionen Jahren
begann und bis heute andauert. Dies deutet darauf hin, dass die
gegenseitige Wechselwirkung zwischen den zuerst entstandenen Sternen und
denen, die momentan entstehen, sehr wahrscheinlich ein wichtiger Faktor
bei Sternentstehungsprozessen ist.
|