Supernova vor über neun Milliarden Jahren
von Stefan Deiters astronews.com
18. Januar 2012
Mithilfe des Weltraumteleskops Hubble
haben Astronomen das schwache Leuchten einer Explosion aufgespürt, die sich vor
mehr als neun Milliarden Jahren ereignet hat. Die Entdeckung dieser entfernten
Supernova ist das Resultat einer ambitionierten Himmelsdurchmusterung, durch die die
Wissenschaftler mehr über die mysteriöse Dunkle Energie in Erfahrung bringen
wollen.
Ein Ausschnitt des Hubble Ultra Deep Field
(oben), in dem die Astronomen nach Supernovae
gesucht haben. Der Bereich, in dem SN Primo
schließlich entdeckt wurde, ist markiert und
unten vergrößert dargestellt. Unten rechts ist
die Supernova zu sehen, links der gleiche
Bildausschnitt ohne Supernova.
Bild: NASA, ESA, A. Riess (Space
Telescope Science Institute und The Johns Hopkins
University) und S. Rodney (The Johns Hopkins
University) [Großansicht] |
"Seit mehreren Jahrzehnten vertrauen Astronomen schon auf die
Leistungsfähigkeit von Hubble, um hinter die Geheimnisse des Universums
zu kommen", so John Grunsfeld, der wissenschaftliche Adminstrator der NASA. "Die
neuen Beobachtungen bauen auf den revolutionären Untersuchungen mit Hubble
auf, die 2011 den Physik-Nobelpreis gewonnen haben und könnten uns helfen, die
Natur der Dunklen Energie besser zu verstehen, die dafür sorgt, dass sich das
Universum beschleunigt ausdehnt." Grunsfeld hatte seine Position als
NASA-Chefwissenschaftler erst am 4. Januar übernommen und kennt das Hubble-Weltraumteleskop
wohl besser als die meisten Mitarbeiter der NASA in Washington - in seiner Zeit
als Astronaut hat er Hubble schließlich drei Mal einen Besuch abgestattet und das
Teleskop bei insgesamt acht Außenbordeinsätzen wieder auf Vordermann gebracht.
Bei der Sternexplosion, die von den Astronomen den Spitznamen SN Primo
erhalten hat, handelt es sich um eine Supernova vom Typ Ia. Sie entstehen nach
Ansicht der Wissenschaftler in der Regel dann, wenn ein Weißer Zwergstern, also
der ausgebrannte Überrest eines normalen Sterns, zu viel Material von einem
nahen Begleiter aufgesammelt und dadurch eine kritische Masse überschritten hat.
Bei SN Primo handelt es sich um die bislang am weitesten entfernte
Supernova-Explosion dieses Typs, deren Entfernung mit Hilfe spektroskopischer
Messungen bestätigt werden konnte.
Die Entdeckung gelang im Rahmen eines dreijährigen Hubble-Projekts
zur Suche nach weit entfernten Supernova-Explosionen vom Typ Ia. Die Astronomen
wollen so herausfinden, ob diese Supernovae auch in dieser Entfernung als
verlässlicher Entfernungsindikator dienen können. Die Galaxien, die Hubble dabei
im Visier hat, sehen wir zu einer Zeit, in der das Universum gerade einmal ein
Drittel seines heutigen Alters von rund 13,7 Milliarden Jahren hatte. Verwendet
wird dazu die neue Wide Field Camera 3 des Weltraumteleskops.
"Bei unserer Suche nach Supernovae waren wir bereits so weit gegangen, wie es
im optischen Bereich des Lichts möglich war", erläutert Projektleiter Adam Riess
vom Space Telescope Science Institute und der Johns Hopkins
University. "Aber das war nur der Anfang von dem, was im Infraroten möglich
ist. Diese Entdeckung beweist, dass wir die Wide Field Camera 3
verwenden können, um Supernovae im entfernten Universum zu suchen."
Um die Sternexplosionen aufzuspüren, machte das Team über mehrere Monate
zahlreiche Bilder einer Himmelsregion im nahen Infrarot und sucht darauf nach
dem Aufleuchten einer Explosion. Im Oktober 2010 wurden sie schließlich fündig.
Sie nutzten dann das Spektrometer der Wide Field Camera 3, um die
genaue Entfernung von SN Primo zu bestimmen und auch mit Hilfe der spektralen
Signatur zu verifizieren, dass es sich tatsächlich um eine Supernova vom Typ Ia
handelt. Außerdem wurde SN Primo in den folgenden acht Monaten immer wieder
aufgenommen, so dass man sehen konnte, wie die Explosionsreste langsam immer
leuchtschwächer wurden.
Durch ihre Suche nach entfernten Supernovae vom Typ Ia wollen die
Wissenschaftler feststellen, wie häufig diese Explosionen im frühen Universum
waren. Daraus könnten sich dann auch Rückschlüsse auf den Mechanismus ziehen
lassen, der für die Explosion verantwortlich war. "Wenn wir im frühen Universum
einen Abfall der Zahl der Supernovae feststellen, könnte das bedeuten, dass es
einige Zeit braucht, um eine Supernova vom Typ Ia zu ermöglichen", erklärt
Teammitglied Steve Rodney von der Johns Hopkins University. "Eventuell
hatten die Sterne in dieser Epoche noch nicht ausreichend Zeit, um sich bis zur
Explosion zu entwickeln. Sollten Supernovae allerdings sehr schnell entstehen,
sollten wir auch viele von ihnen im jungen Universum beobachten können. Jede
Supernova ist einzigartig, es ist also möglich, dass es unterschiedliche Wege
gibt, die zu einer solchen Explosion führen."
Für den Fall, dass die Astronomen feststellen, dass entfernte Supernovae vom
Typ Ia anders aussehen als erwartet, könnten sie mit Hilfe der Durchmusterung
versuchen, die genauen Abweichungen zu ermitteln, um so die Messungen über die
Dunkle Energie zu präzisieren. Vor 13 Jahren hatten Wissenschaftler mit Hilfe
von Supernova-Explosionen vom Typ Ia festgestellt, dass sich das Universum
beschleunigt ausdehnt und dafür eine "Dunkle Energie" verantwortlich gemacht.
Die Erkenntnis wurde im vergangenen Jahr mit dem Nobelpreis für Physik
ausgezeichnet.
Über die Entdeckung und Beobachtung von SN Primo berichteten die Astronomen
in der vergangenen Woche auf einer Tagung der American Astronomical Society.
Die Arbeit wird auch in einem Fachartikel beschrieben, der bald im
Astrophysical Journal erscheinen wird.
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