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MIKROQUASARE
Der Herzschlag eines Schwarzen Lochs
von Stefan Deiters
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19. Dezember 2011

Ein internationales Astronomenteam hat mithilfe des Rossi X-ray Timing Explorer (RXTE) der NASA das vielleicht kleinste bislang bekannte Schwarze Loch aufgespürt. Die Astronomen werteten dazu ein periodisches Röntgensignal des Systems aus, das bislang nur bei einem anderen Schwarzen Loch beobachtet werden konnte. 

 IGR J17091

So könnte das System IGR J17091-3624 aussehen, dessen "Herzschlag" (oben rechts) die Astronomen mit RXTE gemessen haben. Bild: NASA / Goddard Space Flight Center / CI Lab   [Großansicht]

Das jetzt untersuchte Objekt trägt den Namen IGR J17091-3624, nach seinen Koordinaten am Himmel. Es handelt sich um ein Doppelsystem aus einem normalen Stern und einem Schwarzen Loch. Dieses Schwarze Loch scheint aber etwas ganz Besonderes zu sein: Es dürfte vermutlich noch nicht einmal die dreifache Masse unserer Sonne haben. Viel masseärmer als dieses kann ein Schwarzes Loch nach den Theorien der Astronomen kaum sein. Sichtbar wurde das Schwarze Loch nur, weil es Material von dem anderen Stern anzieht. Dieses sammelt sich dann in einer Scheibe um das Schwarze Loch und heizt sich dort durch die Reibung auf Temperaturen von mehreren Millionen Grad auf. Es ist damit so heiß, dass es Röntgenstrahlen aussendet.

Und in dieser Röntgenstrahlung fanden Forscher nun ein ganz typisches wiederkehrendes Muster, das an ein Elektrokardiogramm erinnert, weswegen die Wissenschaftler das Signal auch als "Herzschlag" des Schwarzen Lochs bezeichnen. Die Schwankungen spiegeln dabei, so die Überzeugung der Astronomen, unterschiedliche Prozesse in der Gasscheibe um das Schwarze Loch wider. Die schnellsten Änderungen sollte es dabei in der Nähe des Ereignishorizonts geben, also jener Grenze, nach deren Überschreiten es kein Zurück mehr gibt - auch für das Licht nicht.

Den Astronomen war das System erstmals im Jahr 2003 aufgefallen, als es zu einem Ausbruch von Röntgenstrahlung kam. Bei der Durchsicht von älterem Archivmaterial stellte man dann fest, dass das System offenbar alle paar Jahr aktiv wird. Der jüngste Ausbruch begann im Februar und dauert bis heute an. IGR J17091-3624 befindet sich im Sternbild Skorpion. Die Entfernung kennen die Wissenschaftler allerdings nur sehr ungenau: Sie sollte zwischen 16.000 und über 65.000 Lichtjahren betragen.

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Solche Schwankungen im Röntgenbereich hatte man zuvor bereits bei einem anderen Schwarzen-Loch-Doppelsystem namens GRS 1915+105 beobachtet (astronews.com berichtete). Hier konnten die Astronomen inzwischen über zwölf strukturierte Muster identifizieren, die typischerweise zwischen wenigen Sekunden und einigen Stunden dauern. "Wir glauben, dass die meisten dieser Muster Zyklen von Ansammlung und Auswurf von Material in einer instabilen Scheibe repräsentieren und wir können nun sieben dieser Muster auch bei IGR J17091 wiederfinden", erläutert Tomaso Belloni vom Osservatorio Astronomico di Brera im italienischen Merate. "Diese Signaturen nun in einem zweiten Schwarzen-Loch-System zu sehen, ist schon toll."

Bei GRS 1915 sorgen, so die Theorie der Wissenschaftler, starke Magnetfelder in der Nähe des Ereignishorizonts des Schwarzen Lochs dafür, dass Gas in zwei gebündelten Strömen, sogenannten Jets, in entgegengesetzte Richtungen mit 98 Prozent der Lichtgeschwindigkeit ins All geschleudert wird. Das Maximum der typischen Herzschlag-Strahlung dieses Schwarzen-Loch-Systems korrespondiert mit dem Auftreten des Jets.

Aus den mit dem Rossi X-ray Timing Explorer (RXTE) beobachteten Veränderungen im Röntgenspektrum während eines jeden "Herzschlags" schließen die Forscher, dass der innerste Bereich der Scheibe so viel Strahlung aussenden muss, dass diese das Gas zurückdrängt. So entsteht ein nach außen gerichteter Wind, der den Materialfluss in Richtung des Schwarzen Lochs für kurze Zeit zum Erliegen bringt. Der Jet versiegt, die Strahlung ist nun nur noch sehr schwach. Schließlich wird der innere Bereich der Scheibe so hell und heiß, dass er sich auflöst und in Richtung des Schwarzen Lochs stürzt, wodurch der Jet wieder zum Leben erweckt wird und der Zyklus von vorne beginnt. Der ganze Prozess dauert lediglich 40 Sekunden.

Es gibt keine direkten Beweise dafür, dass sich auch bei IGR J17091 Jets ausbilden. Allerdings deutet die Signatur des Herzschlags des System nach Ansicht der Forscher darauf hin, dass hier ganz ähnliche Prozesse am Werk sind. Sie vermuten, dass die typische Herzschlag-Strahlung rund 20-mal schwächer ist und der Zyklus etwa achtmal schneller abläuft und damit nur um die fünf Sekunden dauern würde.

Die Masse des Schwarzen Lochs von GRS 1915 schätzen Astronomen auf die Rund 14-fache Masse unserer Sonne, was es zu einem der massereichsten Schwarzen Löcher macht, die durch den Kollaps eines massereichen Sterns entstanden sind. Die Analyse der RXTE-Daten ergab nun, dass IGR J17091 fast das Gegenteil davon sein muss und nur eine Masse von nicht einmal drei Sonnenmassen haben könnte.

"Genau wie der Puls einer Maus schneller ist als der eines Elefanten, skalieren auch die Herzschlag-Signale dieser Schwarzen Löcher mit ihrer Masse", erklärt Diego Altamirano von der Universität in Amsterdam, der Erstautor eines in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters erschienenen Artikels über die Untersuchung. Die Astronomen haben nun damit begonnen, beide Schwarzen Löcher auf Grundlage von Daten von RXTE, des NASA-Satelliten Swift und des europäischen Röntgenteleskop XMM-Newton zu vergleichen, um noch mehr über die Systeme herauszufinden.

"Bislang war GRS 1915 ein Einzelfall, von dem man nicht so viel lernen konnte", so Tod Strohmayer, der RXTE-Projektwissenschaftler am Goddard Space Flight Center der NASA. "Mit einem zweiten System, das eine ganz ähnliche Variabilität zeigt, können wir nun wirklich überprüfen, wie genau wir die Vorgänge am Rande eines Schwarzen Lochs verstehen." 

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siehe auch
Mikroquasare: Wachstumsbremse bei Schwarzen Löchern - 27. März 2009
Links im WWW
RXTE
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