Überraschende Zusammensetzung ferner Galaxien
von Stefan Deiters astronews.com
2. November 2011
Dank eines heftigen Ausbruchs im Gammastrahlen-Bereich,
eines sogenannten Gamma-ray Bursts, ist es Astronomen jetzt gelungen, die
chemische Zusammensetzung zweier Galaxien im jungen Universum zu untersuchen. Zu
ihrer Überraschung ergaben die Beobachtungen mit dem Very Large Telescope,
dass der Anteil an schweren Elementen in ihnen höher ist als in unserer Sonne.
So könnten die beiden jetzt beobachteten
Galaxien aussehen. In der linken Galaxie ist der
Gamma-ray Burst zu erkennen, der die aktuellen
Beobachtungen erst ermöglicht hat.
Bild: ESO/L. Calçada [Großansicht] |
Gamma-ray Bursts stellen die wohl hellsten Explosionen im
Universum dar. Zu diesen starken, weit entfernten und nur sehr kurzen
Strahlungsausbrüchen im Gammastrahlenbereich kommt es vollkommen überraschend.
Astronomen haben deswegen ein regelrechtes Warnsystem aufgebaut, mit dem andere
Teleskope alarmiert werden können, sobald ein neuer Gamma-ray Burst entdeckt
wird. Mit diesen Instrumenten lässt sich dann oft ein Nachglühen im sichtbaren
oder infraroten Bereich des Lichtes beobachten, das einige Stunden oder sogar
Tage anhalten kann und den Astronomen einiges über die Ursachen verrät, die zu
der gewaltigen Explosion geführt haben müssen.
Am 23. März 2009 entdeckte das Gammastrahlen-Teleskop Fermi der NASA
einen solchen Gamma-ray Burst. Dieser konnte nur einen Tag später auch vom
Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO auf dem Gipfel des
Paranal in Chile anvisiert werden. Die Beobachtungen ergaben, dass das Licht des
Bursts sowohl die Galaxie durchlaufen hat, in der sich die Explosion ereignet hatte,
als auch eine zweite Galaxie in der Nähe. Diese Systeme sehen wir aufgrund ihrer
Entfernung in einem Zustand, der dem vor rund zwölf Milliarden Jahren
entspricht. Für die Wissenschaftler war dieser Fund ein Glücksfall, da es nur
sehr selten vorkommt, dass so weit entfernte Galaxien durch einen Gamma-ray
Burst erleuchtet werden.
"Als wir das Licht dieses Gamma-ray Bursts untersuchten, wussten wir nicht,
was wir finden würden", erklärt Sandra Savaglio vom Max-Planck-Institut für
Extraterrestrische Physik in Garching, die auch Erstautorin eines Fachartikels
über die Beobachtungen ist, der in den Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society erscheint. "Es war überraschend, dass das kalte Gas
dieser Galaxien eine so unerwartete chemische Zusammensetzung hatte. Diese
Galaxien verfügen über mehr schwere Elemente als man jemals in einer Galaxie in
der Frühphase der Entwicklung des Universums gefunden hat. Wir haben nicht
erwartet, dass das Universum schon so früh chemisch so weit entwickelt war."
Ohne die "Beleuchtung" durch den Gamma-ray Burst wären diese beiden
lichtschwachen Galaxien gar nicht zu sehen gewesen. Nun aber konnten die
Astronomen das Licht, das die Galaxien durchquert hatte spektral untersuchen und
damit auch feststellen, welche Elemente sich in ihnen finden. Das besondere
Interesse galt dabei dem Anteil schwererer Elemente im kalten Gas der Galaxien.
Schwerere Elemente entstehen nur im Inneren von Sternen und sollten sich
daher im Laufe der Geschichte des Universums immer weiter anreichern, so dass
der Anteil der schwereren chemischen Elemente auch immer ein Hinweis auf das
Entwicklungsalter einer Galaxie ist. Jetzt aber stellte sich heraus, dass es
offenbar schon nach weniger als zwei Milliarden Jahren nach dem Urknall Galaxien
gab, die sehr reich an schwereren chemischen Elementen waren. Dies hatte man
lange Zeit nicht für möglich gehalten.
Doch wie konnten so schnell so viele schwere Elemente entstehen? Die
Astronomen vermuten, dass in den beiden jetzt entdeckten Galaxien mit einer
extrem hohen Rate neue Sterne entstehen und so das kalte Gas auch schnell mit
schwereren Elementen angereichert wird. Da beide Galaxien relativ nahe
beieinander liegen, könnte es sogar sein, dass sie gerade miteinander
verschmelzen, was zu einer Intensivierung der Sternentstehung führen dürfte.
Dies passt auch zu einer Theorie, nach der Gamma-ray Bursts sich in Regionen mit
heftigster Sternentstehung ereignen.
Es ist möglich, dass es zu diesen äußerst heftigen Phasen von Sternentstehung
nur in der Frühphase des Universums gekommen ist. Heute wären die Überreste
dieser damals so hellen Galaxien dann nur noch ein Schatten ihrer selbst und
würden eine große Zahl von stellaren Überresten wie Neutronensternen oder
stellaren Schwarzen Löchern enthalten. Es könnte somit eine ganze Population von
"toten Galaxien" geben, deren Entdeckung auch heute noch sehr schwer wäre.
"Wir hatten sehr viel Glück, dass es uns gelungen ist, diesen Gamma-ray Burst
zu beobachten als er noch ausreichend hell war, um mit dem VLT detaillierte
Untersuchungen zu machen. Gamma-ray Bursts leuchten nur für sehr kurze Zeit, so
dass es sehr schwer ist, gutes Datenmaterial zu bekommen", so Savaglio. "Wir
hoffen, dass wir diese Galaxien in Zukunft noch einmal beobachten können, wenn
wir deutlich empfindlichere Instrumente zur Verfügung haben. Sie wären ein
perfektes Ziel für das E-ELT (European Extremely Large Telescope)."
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