Deutsch-chinesische Experimente vor dem Start
Redaktion
/ Pressemitteilungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
31. Oktober 2011
In China soll in der Nacht erstmals ein Raumschiff zum im September
gestarteten Orbitalmodul Tiangong 1 abheben. Mit an Bord von
Shenzhou-8 wird dabei auch die in Deutschland entwickelte
Experimentalapparatur SIMBOX sein, in der sich 17 Experimente aus den
Bereichen Biologie und Medizin befinden. Erstmals arbeitet die
chinesische Raumfahrt-Organisation damit mit einer anderen Nation
zusammen.
Die Trägerrakete vom Typ "Langer Marsch", die
Shenzhou-8 mit SIMBOX in den Weltraum bringt, auf
dem Weg zum Startplatz auf dem Gelände des
chinesischen Weltraumbahnhofs Jiuquan in der
Inneren Mongolei.
Foto: DLR |
Eine Weltraumpremiere der besonderen Art rückt näher: Heute um 23 Uhr
MEZ (das bedeutet 1. November, 6.00 Uhr Ortszeit) soll das chinesische
Raumschiff Shenzhou-8 mit einer Rakete vom Typ "Langer Marsch"
vom Weltraumbahnhof Jiuquan in der Inneren Mongolei starten. Mit an
Bord: die in Deutschland entwickelte und gebaute
SIMBOX-Experimentapparatur (Science in Microgravity Box) mit 17
Experimenten aus den Bereichen Biologie und Medizin, die deutsche
Wissenschaftler zusammen mit ihren chinesischen Kollegen durchführen
werden (astronews.com berichtete).
Bei der Nutzung von Shenzhou - dem Kernstück der bemannten
chinesischen Raumfahrt - kooperiert die chinesische
Raumfahrt-Organisation CMSEO (China Manned Space Engineering Office)
erstmals mit einer anderen Nation. Das Raumfahrtmanagement des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat im Auftrag des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) die Programm-
und Projektleitung für den deutschen Missionsanteil inne. Gebaut wurde
die SIMBOX-Apparatur bei Astrium in Friedrichshafen. Sieben deutsche
Universitäten nehmen mit Experimenten an SIMBOX teil. Der unbemannte
Flug des Shenzhou-8-Raumschiffs zum im September gestarteten
Modul Tiangong 1 ist für China die Generalprobe für spätere
bemannte Raumflüge (astronews.com berichtete).
Im Rahmen von SIMBOX werden Pflanzen, Fadenwürmer, Bakterien und
menschliche Krebszellen fast drei Wochen lang der Schwerelosigkeit und
der Strahlung des Weltraums ausgesetzt sowie medizinisch relevante
Proteine kristallisiert. Die Experimente beschäftigen sich mit
fundamentalen biologischen und medizinischen Fragestellungen: Wo genau
greift die Schwerkraft in biologische Prozesse ein? Und wie kann man das
Immunsystem stärken? Wissenschaftler der Universitäten Erlangen,
Hohenheim, Magdeburg, Tübingen und Hamburg, Freiburg sowie der Charité
Berlin sind an den Untersuchungen beteiligt.
Neben den sechs rein deutschen Experimenten führen die Universitäten
Erlangen und Wuhan ein gemeinsames Experiment durch: In einem
Mini-Ökosystem mit Algen und Fischen untersuchen die Forscher Stoff- und
Energieflüsse im geschlossenen System. Dessen Ziel ist es, ein
biologisches Lebenserhaltungssystem zu entwickeln, das bei zukünftigen
Langzeitaufenthalten im Weltraum Sauerstoff und Nahrung produzieren
sowie Wasser aufbereiten soll.
Im zweiten deutsch-chinesischen Experiment kristallisieren
Wissenschaftler der Universität Hamburg und des Instituts für Biophysik
der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking medizinisch
relevante Proteine in Schwerelosigkeit. Beide Proteine beziehungsweise
Enzyme sind derzeit ideale Ansatzpunkte, um Wirkstoffe gegen das heute
bereits weitgehend antibiotikaresistente Bakterium (MRSA, Methicillin-resistenter
Staphylococcus aureus) als auch gegen den die Malaria verbreitenden
Parasiten zu entwickeln.
Insgesamt 40 Experimenteinheiten, jede etwa so groß wie eine
Zigarettenschachtel, finden im SIMBOX-Brutschrank Platz. Die 25
Kilogramm schwere Versuchsanlage verfügt über ein Volumen von 34 Litern.
Unter den Experimenteinheiten sind einfache Varianten wie Miniaquarien
oder Pflanzenkammern. Es gibt aber auch komplexe Typen mit mehreren
Kammern, Pumpen, Beleuchtung und Sensor- sowie Messsystemen. Im Orbit
erfahren einige Experimentier-Einheiten Schwerelosigkeit, während andere
auf einer Zentrifuge stecken, die durch Rotation Schwerkraftbedingungen
produziert, wie sie auf der Erde herrschen. Ein Vergleich beider Proben
gibt Aufschluss über die Wirkung der Schwerelosigkeit auf die
biologischen Proben.
Zwei Tage nach dem Start wird Shenzhou-8 an das Modul
Tiangong-1 ankoppeln und damit einen ersten Andocktest durchführen,
der einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer bemannten Raumstation
darstellt, die bis 2020 voll einsatzfähig sein soll. Nach rund 17 Tagen
im All dockt Shenzhou dann wieder ab und landet nach dem
Wiedereintritt in die Atmosphäre an einem Fallschirm auf der Erde.
Anschließend werden die Proben durch Helikopter-Suchteams geborgen und
zur Auswertung nach Peking transportiert. Nach Shenzhou-8
sollen weitere Shenzhou-Raumschiffe an Tiangong-1
ankoppeln. Mit Shenzhou-10 sollen erstmals zwei bis drei
chinesische Astronauten ("Taikonauten") probeweise in dem Modul
arbeiten.
Update (1. November 2011): Die Mission Shenzhou-8
ist in der Nacht erfolgreich gestartet.
Update (3. November 2011): Das Andockmanöver von
Shenzhou-8 an das Modul
Tiangong-1 ist erfolgreich verlaufen.
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