Roboterarm ROKVISS zurück aus dem All
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
6. Oktober 2011
Sechs Jahre lang hat er, montiert an der Internationalen Raumstation
ISS, seinen Dienst versehen, jetzt ist er wieder zurück auf der Erde:
der vom DLR entwickelte Roboterarm ROKVISS. Nach den ersten
Funktionstests im Labor waren die Wissenschaftler zunächst sprachlos:
ROKVISS hat den Aufenthalt im All offenbar ohne Schäden überstanden und
funktioniert wie am ersten Tag.
ROKVISS im Vergleich: Oben der aus dem All
zurückgekehrte Roboterarm und unten das Modell
aus dem Labor. Lediglich die bräunliche
Verfärbung des "echten" ROKVISS weist auf seinen
Einsatz an der Außenwand der ISS hin.
Foto: DLR |
Das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte
Technologie-Experiment ROKVISS (Robotik-Komponenten-Verifikation auf der
ISS) ist nach sechs Jahren im freien Weltraum wieder auf die Erde
zurückgekehrt. Das DLR-Institut für Robotik und Mechatronik nahm den
Roboterarm im September in Oberpfaffenhofen entgegen. Nun liegen die
Auswertungen der ersten Funktionstests vor: ROKVISS hat den Einsatz an
der Außenwand der Internationalen Raumstation ISS ohne Beeinträchtigung
gemeistert - für die Experten eine absolute Überraschung.
"Man steht davor und glaubt es nicht. Das Robotersystem läuft wie am
ersten Tag - kein Klappern, keine Fremdgeräusche aus dem Getriebe, die
Gelenke bewegen sich absolut geschmeidig. Es ist, als ob ROKVISS das
Labor nie verlassen hätte", berichtet Projektleiter Klaus Landzettel vom
DLR-Institut für Robotik und Mechatronik. Die Oberfläche von ROKVISS ist
ebenso unversehrt, Spuren von Einschlägen oder anderen Schäden fehlen.
Lediglich die Farbe des 50 Zentimeter großen und sieben Kilogramm
schweren Roboterarms hat sich an einer Stelle verändert – von grau zu
hellbraun.
Zur Erde zurücktransportiert und überbracht wurde ROKVISS vom russischen
Raumfahrtunternehmen RKK Energia und dem Wissenschaftlichen
Institut für Robotik und Technische Kybernetik in Sankt Petersburg, das
auch an den Untersuchungen und Analysen des Robotersystems beteiligt
ist. Diese Arbeiten werden im Rahmen einer engen deutsch-russischen
Kooperation durchgeführt. Bevor die DLR-Wissenschaftler ROKVISS jedoch
einschalten konnten, mussten sie den für den Rücktransport teilweise
zerlegten Roboterarm zunächst zusammenfügen und in
Eingangsfunktionstests die Elektronik auf Kurzschlüsse prüfen. Statt der
zugedachten zwei Tage war die Vorbereitungsphase bereits nach zwei
Stunden abgeschlossen und das System betriebsbereit. "Der Erfolg der
ROKVISS-Mission geht weit über unsere Erwartungen hinaus", fasst
Landzettel zusammen.
Eine Besonderheit der Mission ist der Transport selbst: ROKVISS fand als
Gepäckstück im Sojus-Raumschiff Platz, an der Seite der zur
Erde zurückkehrenden Astronauten. Da die zur Verfügung stehende
Gepäckbox zu klein für den ganzen Roboterarm war, musste er von der
ISS-Besatzung in mehrere Teile zerlegt werden. Dazu entwickelten die
DLR-Wissenschaftler eine genaue Anleitung für die Astronauten, um
ROKVISS im Außeneinsatz abzumontieren und dann die Gelenke in einer
bestimmten Reihenfolge schrittweise zu zerlegen - der Roboterarm passte
zum Schluss auf den Millimeter genau in die 47 x 16 x 16 Zentimeter
große Transportbox.
Die Auswertung der aktuellen Tests bestätigte auch, dass die vom
DLR-Institut für Robotik und Mechatronik entwickelten Methoden bestens
für den Einsatz im Weltraum geeignet sind. Die Technologie rund um den
per Joystick mit Kraftrückmeldung steuerbaren Roboterarm hat sich in
mehr als 500 Probeeinsätzen auf der ISS bewiesen. Künftige Missionen
profitieren nun von dem zuverlässigen System. Das gilt nicht zuletzt für
die deutsche Orbital-Servicing-Mission DEOS, die für 2015 geplant ist
und defekte Satelliten mittels eines Roboterarms einfangen und
kontrolliert entsorgen soll. Auch den humanoiden Roboter "Justin" können
die Wissenschaftler mit den Erkenntnissen aus ROKVISS für den Einsatz im
Weltraum vorbereiten.
ROKVISS ist das erste komplexe mechatronische System, das nach einem
Langzeit-Einsatz im All wieder zur Erde zurückgebracht werden konnte und
für anschließende Untersuchungen zur Verfügung steht. Schon während des
sechsjährigen Einsatzes im Weltraum haben die DLR-Wissenschaftler
Messverfahren entwickelt und durchgeführt, um Veränderungen des
Robotersystems festzustellen. Denn einen Roboterarm an der Außenwand der
ISS zu installieren, bedeutet, ihn Temperaturwechseln von -20°C bis
+60°C auszusetzen, 16 Mal pro Tag. Zudem herrscht im All Vakuum, das für
den Thermalhaushalt des Systems ein Problem darstellt.
Jetzt können die Entwickler einen Schritt weiter gehen und prüfen:
Welchen Effekt hat der Wechsel von der Erdatmosphäre in das Vakuum?
Kehren sich bestimmte Effekte möglicherweise um, wenn das System vom
Weltraum wieder in die Atmosphäre eintritt? Dies betrifft vor allem
Materialien und das Innenleben des Robotersystems – die Getriebereibung,
die verwendeten Schmiermittel und Klebstoffe. In den kommenden Wochen
sind daher weitergehende Tests mit ROKVISS geplant, für die das
Technologie-Experiment vollständig in seine Einzelteile zerlegt und
gemeinsam mit den russischen Kollegen analysiert wird.
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