Planetengroßer Diamant umkreist Pulsar
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
26. August 2011
Ein internationales Astronomenteam glaubt einen Stern aufgespürt zu
haben, der zu einem planetengroßen Objekt aus Diamant umgewandelt und
verdichtet wurde. Die ungewöhnliche Entdeckung gelang mithilfe von
Radioteleskopen in Australien und Großbritannien und wurde durch
Beobachtungen mit einem der beiden Keck-Teleskope auf Hawaii
bestätigt.
Schematische Darstellung des
Pulsar-Planeten-Systems PSR J1719-1438. Das Bild
zeigt den Millisekundenpulsar mit 5,7 ms
Pulsperiode im Zentrum, und die Umlaufbahn des
Planeten im Vergleich zur Größe der Sonne (in
Gelb markiert).
Bild: Swinburne Astronomy Productions,
Swinburne University of Technology |
Das Team entdeckte den "Diamantplaneten" mit dem Parkes-64-Meter-Radioteleskop
in Australien und stellte fest, dass er um einen ungewöhnlichen Stern
mit extrem hoher Dichte kreist, einen sogenannten Pulsar. Die Daten zu
dem Pulsar-Planeten-Paar konnten durch nachfolgende Beobachtungen mit
dem Lovell-Radioteleskop in Großbritannien sowie einem der
beiden Keck-Teleskope auf Hawaii bestätigt werden. Das System
liegt in etwa 4000 Lichtjahre Entfernung in Richtung des Sternbilds
Schlange in der Ebene unserer Milchstraße. Das Ergebnis der
Beobachtungen präsentieren die Forscher in der aktuellen Ausgabe des
Magazins Science Express.
Pulsare stellen extrem verdichtete Endstadien der Sternentwicklung dar.
Es sind schnell rotierende Sterne von der Größe einer Stadt wie etwa
Köln, die einen stark gebündelten Strahl von Radiowellen aussenden. Wenn
im Zuge der Rotation des Sterns der Strahl dann wiederholt über die Erde
streicht, fängt man mit Radioteleskopen ein regelmäßig "pulsierendes"
Signal auf (daher der Name "Pulsar"). Bei dem neu entdeckten Pulsar mit
der Bezeichnung PSR J1719-1438 fiel den Astronomen auf, dass in den
Ankunftszeiten der Pulssignale eine regelmäßige Modulation liegt, die
sich durch die Gravitation eines massearmen Begleiters, eines Planeten,
erklärt.
Die Modulation der Pulsarsignale verrät einiges über den Begleiter.
Zunächst lässt sich daraus ableiten, dass er den Pulsar in gerade mal
zwei Stunden und zehn Minuten umkreist und dass der Abstand zwischen
beiden Objekten lediglich 600.000 Kilometer beträgt - das ist etwas
weniger als der Radius unserer Sonne. Darüber hinaus ist der Begleiter
so nahe an dem Pulsar, dass er mit mehr als 60.000 km Durchmesser (das
ist weniger als die Hälfte vom Durchmesser des Planeten Jupiter) auf
jeden Fall durch die Schwerkraft des Pulsars auseinandergerissen würde.
"Die Dichte des Planeten ist mindestens so hoch wie die von Platin und
verrät uns so einiges über seinen Ursprung", sagt der Leiter des
Forschungsteams, Prof. Matthew Bailes von der Swinburne University
of Technology in Australien. Bailes ist auch Leiter des Bereichs
"Dynamisches Universum" im Centre of Excellence in All-sky
Astrophysics (CAASTRO). Zur Zeit befindet er sich auf einem
mehrmonatigen Forschungsaufenthalt am Max-Planck-Institut für
Radioastronomie in Bonn. Das Wissenschaftlerteam nimmt an, dass der
Begleitplanet den winzigen Kern eines einstmals massereichen Sterns
darstellt, der nur knapp der kompletten Zerstörung entgangen ist.
Der Pulsar selbst wurde in einer Datenmenge von insgesamt 200.000
Gigabyte identifiziert, mit Hilfe von speziellen Analyseprogrammen auf
Supercomputern an der Swinburne University of Technology, der
Universität Manchester und am INAF-Osservatorio Astronomico di
Cagliari auf Sardinien. Das Projekt ist Teil einer systematischen
Suche nach Pulsaren am ganzen Himmel, an der sich das
100-Meter-Radioteleskop Effelsberg des Max-Planck-Instituts für
Radioastronomie (MPIfR) mit Messungen in der nördlichen Hemisphäre
beteiligt.
"Wir haben hier die größte und empfindlichste Kartierung von Pulsaren am
ganzen Himmel, die jemals durchgeführt wurde", sagt Michael Kramer,
Direktor am MPIfR. "Wir erwarten eine Reihe von aufregenden neuen
Ergebnissen mit diesem Programm und es ist schön zu sehen, dass dies
bereits losgeht. Und es wird noch mehr kommen."
Wie aber ist der Pulsar zu seinem exotischen Begleiter gekommen? Und
woher weiß man, dass er aus Diamant besteht? Der Pulsar J1719-1438
gehört zu einer extrem schnell rotierenden Sorte, die man als
Millisekunden-Pulsare bezeichnet. Er dreht sich mehr als 10.000 mal pro
Minute um die eigene Achse, hat die 1,4-fache Masse der Sonne, aber
einen Radius von nur rund 20 Kilometern. Ungefähr 70 Prozent der Pulsare
haben Begleiter unterschiedlicher Art.
Astronomen nehmen an, dass es die Begleiter sind, die noch als Stern
einen alten langsam rotierenden Pulsar durch den Transfer von Masse auf
eine sehr hohe Umlaufgeschwindigkeit beschleunigen. Das Resultat ist ein
schnell rotierender Millisekundenpulsar mit einem in der Masse
geschrumpften Begleiter - häufig einem Weißen Zwerg. "Wir kennen nur
wenige Doppelsternsysteme, die sogenannten 'ultra-compact low-mass X-ray
binaries' (ultrakompakte Röntgendoppelsterne mit geringer Masse), bei
denen wir annehmen können, dass sie sich in dem oben beschriebenen
Szenario entwickeln und vielleicht den Vorgängerstern für einen Pulsar
wie PSR J1719-1438 darstellen könnten", erklärt Dr. Andrea Possenti vom
INAF-Osservatorio Astronomico di Cagliari.
Aber der Pulsar und sein Begleitstern sind so dicht beisammen, dass es
sich bei dem Begleiter nur um einen sehr stark massereduzierten Weißen
Zwerg handeln kann, der seine gesamten äußeren Schichten und über 99,9%
der ursprünglichen Masse verloren hat. Der verbleibende Rest dürfte
überwiegend aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehen, mit leichteren
Elementen wie Wasserstoff und Helium lassen sich die aus den
Beobachtungen erhaltenen Daten nicht erklären. Die abgeleitete Dichte
lässt darauf schließen, dass das Material mit Sicherheit in einem
kristallinen Zustand vorliegt; ein großer Teil des Sterns könnte ähnlich
wie ein Diamant aufgebaut sein.
"Das endgültige Schicksal dieses Doppelsterns hängt von Masse und der
Umlaufperiode des Gebersterns zur Zeit des Massentransfers ab. Das
seltene Auftreten von Millisekunden-Pulsaren mit Begleitern mit der
Masse von Planeten bedeutet, dass die Entstehung solcher exotischen
Planeten eher die Ausnahme als die Regel darstellt und das
Zusammentreffen von speziellen Bedingungen erforderlich macht", so Dr.
Benjamin Stappers von der Universität Manchester. "Diese neue Entdeckung
kam überraschend für uns. Aber es gibt noch eine ganze Menge mehr, was
wir über Pulsare und fundamentale Physik in den kommenden Jahren
herausfinden werden", meint Kramer.
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