Wie Kohlenstoff in Sternen entsteht
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
11. Mai 2011
Damit in Sternen Kohlenstoff - und damit auch die Grundlage für Leben -
entstehen kann, spielt eine bestimmte Form des Kohlenstoffkerns eine
entscheidende Rolle. Physiker der Universität Bonn und der
Ruhr-Universität Bochum haben jetzt gemeinsam mit US-Kollegen diesen
wichtigen Kohlenstoffkern berechnet und damit ein mehr als 50 Jahre
altes Rätsel gelöst.
Blick auf den
Riesenstern Beteigeuze. In massereichen Sternen
entsteht ein Großteil der schweren Elemente im
Universum entstehen.
Bild: Andrea Dupree (Harvard-Smithsonian
CfA), Ronald Gilliland (STScI), NASA und ESA |
"Seit 1954 hat man vergeblich versucht, den Hoyle-Zustand zu berechnen",
erklärt Professor Dr. Ulf-G. Meißner vom Helmholtz-Institut für
Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn, "und wir haben es jetzt
geschafft!" Beim Hoyle-Zustand handelt es sich um eine energiereiche
Form des Kohlenstoffkerns. Er ist praktisch der "Bergpass", über den man
von einem Tal ins andere gelangt: von drei Kernen des Gases Helium zum
sehr viel größeren Kohlenstoffkern. Diese Verschmelzungsreaktion findet
im heißen Inneren massereicher Sterne statt. Gäbe es den Hoyle-Zustand
nicht, hätten im Weltall nur sehr wenig Kohlenstoff oder andere höhere
Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff und Eisen entstehen können. Ohne
diese Art von Kohlenstoffkern wäre daher vermutlich auch kein Leben
möglich gewesen.
Bereits im Jahr 1954 hat man den Hoyle-Zustand experimentell
nachgewiesen, aber seine Berechnung scheiterte stets. Denn diese Form
des Kohlenstoffs besteht lediglich aus drei sehr lose gebundenen
Heliumkernen - ein eher wolkiger diffuser Kohlenstoffkern. Und er liegt
nicht einzeln vor, sondern stets zusammen mit anderen Formen von
Kohlenstoff. "Das ist, wie wenn sie ein Radiosignal untersuchen wollen,
bei dem ein Hauptsender und mehrere schwächere Sender überlagert sind",
erläutert Prof. Dr. Evgeny Epelbaum vom Institut für Theoretische Physik
II der Ruhr-Universität Bochum. Der "Hauptsender" ist der stabile
Kohlenstoffkern, aus dem unter anderem auch der Mensch aufgebaut ist.
"Wir interessieren uns aber für einen der instabilen, energiereichen
Kohlenstoffkernen, also müssen wir irgendwie mit einem Rauschfilter den
schwächeren Radiosender von dem dominierenden Signal abtrennen."
Möglich wurde das mit einer neuen, besseren Rechenmethode der Forscher,
welche die Kräfte zwischen mehreren Kernbausteinen präziser als zuvor
berechnet. Mit JUGENE, dem Supercomputer am Forschungszentrum Jülich,
stand auch das passende Werkzeug parat. Eine knappe Woche hat JUGENE
gerechnet. Das Rechenergebnis stimmt so gut mit den experimentellen
Daten überein, dass die Forscher sicher sein können, den Hoyle-Zustand
tatsächlich von Grund auf berechnet zu haben. "Jetzt können wir diese
spannende und wichtige Form von Kohlenstoffkern ganz genau untersuchen",
blickt Meißner in die Zukunft. "Wir werden schauen, wie groß er ist und
wie er aufgebaut ist. Und damit können wir jetzt auch die gesamte Kette
der Elemententstehung unter die Lupe nehmen."
Sogar philosophische Fragen sind in Zukunft vermutlich wissenschaftlich
zu beantworten. Seit Jahrzehnten gilt der Hoyle-Zustand als
Paradebeispiel für die Theorie, dass die Naturkonstanten bei der
Entstehung unseres Universums genauso und nicht anders aufeinander
abgestimmt sein mussten, da wir sonst nicht hier wären, um das Universum
zu beobachten (das sogenannte Anthropisches Prinzip). "Für den Hoyle-Zustand
heißt das: Er muss genau diese Energie haben, die er hat, weil es uns
sonst nicht gäbe", so Meißner. "Wir können jetzt berechnen, ob in einer
veränderten Welt mit anderen Parametern der Hoyle-Zustand im Vergleich
zur Masse von drei Heliumkernen tatsächlich eine andere Energie hätte."
Wenn dem so ist, spräche das für das anthropische Prinzip.
An den Untersuchungen beteiligt waren Wissenschaftler der Universität
Bonn, der Ruhr-Universität Bochum, der North Carolina State University
und des Forschungszentrums Jülich. Über ihre Ergebnisse berichten die
Forscher in der kommenden Ausgabe der Zeitschrift Physical Review
Letters.
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