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In aktiven Galaxienkernen verschlingen gewaltige Schwarze Löcher ungeheure Mengen an Material. Bislang waren viele Astronomen davon ausgegangen, dass diese Aktivität durch die Verschmelzung von Galaxien ausgelöst wird. Eine jetzt veröffentlichte Studie, bei der Beobachtungen von 1.400 Galaxien ausgewertet wurden, deutet aber nun darauf hin, das dies nicht der wichtigste Grund sein kann.
Die enorme Energie, die aktive Galaxienkerne (im Englischen Active Galactic Nuclei, AGN) freisetzen, geht auf Materie zurück, die in das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie fällt. Allerdings ist bislang ungeklärt, wie diese Materie über die letzten wenigen Lichtjahre in die unmittelbare Umgebung des Schwarzen Lochs transportiert wird. Eine in den späten 1980er Jahren erschienene Studie von David Sanders und Kollegen schien einen geeigneten Mechanismus für den Materietransport zu präsentieren: Verschmilzt eine Galaxie mit einer ähnlich großen anderen Galaxie, würde das Galaxiengas dramatisch gestört, und einiges davon in Richtung des zentralen Schwarzen Loches der Galaxie fallen. Dies erscheint wie ein plausibles Szenario, das allerdings nur mit einer umfangreichen systematischen Studie überprüft werden kann. Dieses Ziel steckten sich 2008 Mauricio Cisternas und Knud Jahnke vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA). "Eine so umfassende Studie ist erst kürzlich möglich geworden", so Cisternas. "Nur die neuesten Durchmusterungen des Weltraumteleskops Hubble, liefern die dafür nötigen Daten. Vorher gab es schlicht keine Möglichkeit, eine genügend große Anzahl von weit entfernten aktiven Galaxien hinreichend detailliert zu untersuchen." Cisternas und seine Kollegen nutzen die Daten von 140 aktiven Galaxienkernen (AGN), die zuvor im Rahmen der COSMOS-Durchmusterung mit Röntgenbeobachtungen des Weltraumteleskops XMM-Newton als aktiv identifiziert worden waren. Das Licht der entferntesten dieser AGN war rund acht Milliarden Jahre unterwegs, bevor es uns erreichte: Wir sehen diese AGN also so, wie sie vor acht Milliarden Jahren ausgesehen haben. Damit umfasst die Stichprobe Daten zum Wachstum Schwarzer Löcher während der gesamten zweiten Hälfte der Geschichte unseres Universums.
Das besondere an der Studie ist nun, dass die Astronomen systematisch eine "Kontrollgruppe" von normalen Galaxien zusammenstellten - also von Galaxien, deren zentrales Schwarzes Loch keine großen Mengen an Materie verschluckt. Für jeden der AGN in der Studie wurden aus dem gleichen Satz von Hubble-Bildern neun nichtaktive Galaxien in ungefähr der gleichen Entfernung und mit der gleichen Masse ausgewählt, die damit in die gleiche Ära kosmischer Entwicklung gehören. Insgesamt kamen die Forscher so auf eine Stichprobe von 1.400 Galaxien. Diese Auswahl erlaubte es, aktive Galaxien und eine dazugehörige Population nicht-aktiver Galaxien direkt miteinander zu vergleichen. Dass eine Galaxie in den letzten hunderten Millionen Jahren an einer großen Verschmelzung beteiligt war, zeigt sich daran, dass die Form der Galaxie in charakteristischer Weise verzerrt ist. Für Bilder dieser Art, die weit entfernte Galaxien zeigen, ist die automatische Auswertung durch Computerprogramme nur zweite Wahl. Als deutlich effektiver erweist es sich, die Bilder durch Astronomen direkt begutachten zu lassen. "Allerdings hatten wir dabei das Problem, wie wir mit den Erwartungen und mit möglichen Vorurteilen unserer Gutachter umgehen sollten. Alle Beteiligten kannten Galaxienverschmelzungen als plausiblen Mechanismus für die AGN-Aktivität – würden sie die AGN daher unbewusst häufiger verzerrt einstufen?", verdeutlicht Jahnke die Problematik. Um solche unbewussten Fehleinschätzungen auszuschließen, beschlossen die Forscher, ihr Projekt als Blindstudie auszuführen - ein Standardverfahren etwa in der medizinischen Forschung, aber in der Astronomie recht ungewöhnlich. Cisternas entfernte dazu diejenigen Bildbestandteile, die auf die Aktivität einer Galaxie hinweisen, so dass die Gutachter keine Möglichkeit haben würden, anhand des Bildes zu erkennen, ob sie es mit einer aktiven oder inaktiven Galaxie zu tun hätten. Die beiden Stichproben wurden anschließend gemischt und die Bilder zehn Galaxienexperten aus acht verschiedenen Instituten vorgelegt, die die Aufgabe bekamen, jede Galaxie als "verzerrt" oder "nicht verzerrt" einzuschätzen. Im Einzelnen waren die Einschätzungen der Experten dabei durchaus unterschiedlich - ein Zeichen dafür, dass die Astronomen unterschiedlich strenge Kriterien anlegten. Doch bei dem entscheidenden Aspekt kamen alle zu dem gleichen Ergebnis: Keine der Klassifikationen zeigte einen signifikanten Unterschied zwischen aktiven und inaktiven Galaxien. Es gab keinen deutlichen Zusammenhang zwischen der Aktivität einer Galaxie und ihrer Verzerrung, und damit offenbar keinen Zusammenhang zwischen der Menge an Material, die das Schwarzen Loch einer Galaxie verschlingt und der Teilnahme der Galaxie an großen Verschmelzungsereignissen. Galaxienverschmelzungen sind in der kosmischen Geschichte recht häufig und haben zumindest zur Aktivität einiger AGN beigetragen. Die Studie zeigt aber, dass sie weder ein universeller noch der wichtigste Mechanismus sind, um Schwarzen Löchern Materie zuzuführen. Der statistischen Auswertung zufolge gibt es für mindestens 75 Prozent, und vielleicht sogar für die gesamte AGN-Aktivität der letzten 8 Milliarden Jahre andere Erklärungen. Zu den Möglichkeiten, Materie zu zentralen Schwarzen Löchern zu transportieren, gehören instabile Gebilde wie die "Balken" einiger Spiralgalaxien sowie Zusammenstöße gigantischer Molekülwolken innerhalb einer Galaxie, oder der nahe Vorbeiflug einer anderen Galaxie, bei dem es aber nicht zu einer Verschmelzung kommt. Könnte es in noch fernerer Vergangenheit - bei weiter entfernten aktiven Galaxien - einen Zusammenhang zwischen Verschmelzungen und Aktivität der galaktischen Kerne geben? Dieser Frage will sich das Forscherteam als nächstes zuwenden. Die richtigen Daten dafür versprechen zwei derzeit laufende Beobachtungsprogramme des Weltraumteleskops Hubble, sowie Beobachtungen seines Nachfolgers, des James Webb-Weltraumteleskops, das aber frühestens 2014 seine Arbeit aufnehmen wird. Die Wissenschaftler veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Untersuchungen in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal.
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