Jüngstes Schwarzes Loch entdeckt?
von Stefan Deiters astronews.com
16. November 2010
Astronomen glauben mithilfe verschiedener Röntgenteleskope
das jüngste bislang entdeckte Schwarze Loch aufgespürt zu haben. Es befindet
sich in der rund 50 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M100 und liegt damit
praktisch in unmittelbarer Nachbarschaft der Milchstraße. Es ist der Überrest
einer Supernova, die im Jahr 1979 in M100 aufleuchtete.
Aufnahme von M100 im Optischen, Infraroten
und Röntgenbereich. Die Supernova SN 1979C ist
markiert.
Bild: NASA/CXC/SAO/D. Patnaude et al.
(Röntgen), ESO / VLT (Optisch), NASA/JPL/Caltech
(Infrarot) [Großansicht] |
Mit Hilfe verschiedener Röntgenteleskope glauben Astronomen
Hinweise auf ein nur rund 30 Jahre altes stellares Schwarzes Loch gefunden zu
haben. Es befindet sich in der etwa 50 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie
M100 und liegt damit praktisch in der kosmischen Nachbarschaft der Milchstraße.
Die Geburt dieses Schwarzen Lochs, so die Theorie der Forscher, war 1979 als
Supernova SN 1979C zu beobachten. Der Fund könnte den Astronomen helfen, mehr
über das explosive Ende von massereichen Sternen zu erfahren. Solche Sonnen
explodieren nämlich, anders als unsere Sonne, am Ende ihres nuklearen Lebens in
einer gewaltigen Supernova-Explosion, bei der entweder ein Neutronenstern oder
ein stellares Schwarzes Loch zurückbleibt.
Das Objekt, das die Wissenschaftler für ein junges Schwarzes Loch halten, war
in Daten des NASA-Röntgenteleskops Chandra, des Satelliten Swift,
des europäischen Röntgenteleskops XMM-Newton sowie des deutschen
Röntgensatelliten ROSAT in den Jahren 1995 bis 2007 als kontinuierlich
leuchtende Röntgenquelle auszumachen. Dies deutet darauf hin, dass es es sich
hierbei um ein Schwarzes Loch handelt, das Material aus seiner Umgebung aufsaugt
- entweder Trümmermaterial der Supernova oder Gas von einem nahen Begleiter.
Bevor dieses Material in das Schwarze Loch stürzt, sammelt es sich in einer
Akkretionsscheibe um die Schwerkraftfalle und heizt sich auf enorme Temperaturen
auf. Dies sorgt für die beobachtete Röntgenstrahlung.
"Wenn unsere Interpretation richtig ist, handelt es sich hierbei um das
nächstgelegene Beispiel für ein Schwarzes Loch, dessen Geburt man beobachtet
hat", so Daniel Patnaude vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics
in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts, der die Untersuchung leitete.
Die Wissenschaftler vermuten, dass SN 1979C durch den Kollaps eines Sterns
mit der etwa 20-fachen Masse unserer Sonne entstanden ist. Dabei gab es, im
Gegensatz zu vielen anderen, in weiter Entfernung beobachteten "Geburten" von
Schwarzen Löchern, vermutlich keinen Ausbruch im Gammastrahlenbereich, also
einen sogenannter Gamma-ray Burst. Die meisten Schwarzen Löcher sollten auf
diese Weise - durch einen Kollaps des Kerns und ohne Aussenden eines Gamma-ray-Bursts
- entstehen, sind aber relativ schwierig zu entdecken. "Man benötigt
Röntgenbeobachtungen aus mehreren Jahrzehnten, um wirklich sicher zu sein," so
Abraham Loeb, der auch am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics
arbeitet.
Die Idee, dass es sich um ein Schwarzes Loch mit einem Alter von nur 30
Jahren handelt, passt zu einer theoretischen Untersuchung aus dem Jahr 2005.
Darin wird beschrieben, dass das helle Licht der Supernova im Optischen nach dem
Kollaps des Kerns durch einen Jet aus der Umgebung des Schwarzen Lochs
entstanden ist, der jedoch die Wasserstoffhülle des Sterns nicht durchdringen
konnte, so dass es zu keinem Gamma-ray Burst kam. Die Beobachtungsdaten von SN
1979C stimmen ausgezeichnet mit dieser Theorie überein.
Es gibt allerdings noch eine alternative Erklärung: Es könnte sich auch um
einen jungen, schnell rotierenden Neutronenstern handeln, von dem ein starker
Wind aus hochenergetischen Partikeln ausgeht, der für die Röntgenstrahlung
verantwortlich ist. Dies würde SN 1979C zum jüngsten und hellsten Beispiel für
einen "Pulsarwindnebel" machen und zum jüngsten bekannten Neutronenstern. Das
bekannteste Objekt dieser Art ist der rund 950 Jahre alte Krebsnebel. Die
Astronomen berichten über ihre Untersuchung in der Fachzeitschrift New
Astronomy.
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