War Erdbebenablauf in Chile vorhersagbar?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen GeoForschungsZentrums astronews.com
15. September 2010
Der Ablauf des verheerenden Erdbebens in Chile im Februar war bis zu
einem gewissen Grad vorhersagbar. Zu diesem Ergebnis kamen jetzt
Wissenschaftler des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ nach Auswertung
detaillierter GPS-Beobachtungen aus den vergangenen Jahren. Sie
vermuten, dass sich ein ähnlich starkes Beben in der Region in naher
Zukunft nicht wieder ereignen sollte.
Installation eines Creepmeters im
Plattengrenzen-Observatorium Chile mit dem
tektonische Verschiebungen entlang einer
Störungszone bis auf hundertstel Millimeter
gemessen werden.
Foto: GFZ |
Der komplizierte Bruchverlauf, den das Erdbeben in Concepción (Chile)
vom 27. Februar 2010 nahm, war bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar.
GPS-Beobachtungen aus den Jahren vor dem Beben zeigten das Muster der
Spannungen, die sich durch die Plattenbewegungen der letzten 175 Jahre
in diesem Bereich angesammelt hatten. Die aus Beobachtungen abgeleitete
Spannungsverteilung korreliert in hohem Maße mit der späteren
Bruchverteilung.
Durch das Beben wurde sehr wahrscheinlich alle Spannungen abgebaut, die
sich seit dem letzten, von Charles Darwin beobachteten Beben in dieser
Region im Jahre 1835 aufgestaut hatten. Das macht ein vergleichbares
Starkbeben an dieser Stelle in naher Zukunft unwahrscheinlich. Dieses
Ergebnis stellen Wissenschaftler des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ
(Helmholtz-Gemeinschaft) in der vergangenen Woche im
Wissenschaftsmagazins Nature vor.
"Das Maule-Erdbeben bei Concepción, Chile vom 27. Februar zählt mit
einer Momenten-Magnitude von 8,8 zu den größten Beben, welches durch ein
modernes Netzwerk weltraum-geodätischer und geophysikalischer
Messsysteme am Boden vollständig erfasst wurde," sagte dazu Professor
Onno Oncken, Direktor der Abteilung "Geodynamik" am GFZ. "Damit bietet
es die einmalige Möglichkeit, detaillierte Beobachtungen vor dem Beben
mit denen während und nach dem Beben zu vergleichen und Hypothesen zur
Voraussagbarkeit solcher Ereignisse neu zu bewerten."
Messungen mithilfe des Satellitennavigationssystems GPS zeigten, dass
sich der pazifische Ozeanboden der Nazca-Platte nicht gleichmäßig unter
den westlichen Rand des südamerikanischen Kontinents schiebt. Vielmehr
lässt sich aus den GPS-Messungen ableiten, dass sich an einigen Stellen
der Ozeanboden mit dem Untergrund des Kontinents verhakte. In den
Zwischenräumen allerdings schob sich die Nazca-Platte weiter unter
Südamerika. Der ungleichmäßige Spannungsaufbau entlud sich durch das
Beben vom 27. Februar derart, dass wie bei einem Reißverschluss eine
verhakte Stelle nach der nächsten aufriss.
Damit ist diese seismische Lücke vor der chilenischen Westküste
geschlossen, es bleibt ein letzter Zwischenraum im Norden Chiles. Hier
haben die GFZ-Wissenschaftler ein Plattengrenzen-Observatorium
aufgebaut, um mit dem gesamten Instrumentarium der Geowissenschaften den
Zustand vor, während und nach einem Beben festzuhalten - ein wichtiger
Schritt zum Verständnis der Abläufe der Plattentektonik. Die moderne
Geowissenschaft kann zwar weiterhin nicht Ort, Stärke und Zeit von
Erdbeben vorhersagen. Die jetzt vorgestellte Studie bietet nach Ansicht
der beteiligten Wissenschaftler jedoch eine optimistische Perspektive,
was die Abschätzbarkeit möglicher Bruchverläufe und Magnituden zu
erwartender Erdbebens angeht.
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