Schwarzes Loch, kräftig durchgeschüttelt
von Stefan Deiters astronews.com
22. Juli 2010
Astronomen haben mithilfe des Röntgenteleskops Chandra
Indizien dafür gefunden, dass sich die Drehachse eines supermassereichen
Schwarzen Lochs in der Vergangenheit mehrfach verändert hat. Seine Position im
Raum blieb bei diesen Ereignissen allerdings stabil. Der Fund könnte helfen, das
Erscheinungsbild einiger merkwürdig aussehender Objekte im All zu klären.
Die Radiogalaxie 4C +00.58 in einer
kombinierten Röntgen- und Radioaufnahme. Die
Richtungen der Radioemissionen sind durch die
gelben Linien angedeutet, die mit Chandra
aufgespürten Hohlräume (Cavity) markiert.
Bild: NASA / CXC / UMD / Hodges-Kluck et
al. (Röntgen) / NSF / NRAO / VLA / UMD /
Hodges-Kluck et al. (Radio) [Großansicht] |
"Wir glauben, dass wir hier tatsächlich den besten Beweis dafür
haben, dass ein Schwarzes Loch richtig durchgeschüttelt wurde", ist Edmund
Hodges-Kluck von der University of Maryland überzeugt. "Wir wissen
nicht genau, was dazu geführt hat, aber es könnte mit einer Kollision zwischen
zwei Galaxien zu tun gehabt haben."
Die Astronomen hatten die Galaxie 4C +00.58 in rund 780 Millionen Lichtjahre
Entfernung von der Erde mit dem NASA-Röntgenteleskop Chandra gründlich
untersucht. In ihrem Inneren verbirgt sich, wie in den meisten Galaxien, ein
supermassereiches Schwarzes Loch. In 4C +00.58 jedoch verschlingt dieses gerade
mit einer hohen Rate Gas aus seiner Umgebung. Dieses sammelt sich zuvor in einer
flachen Scheibe um das Schwarze Loch. Starke Magnetfelder in dieser Region
sorgen dann dafür, dass ein kleiner Teil des Gases in eng gebündelten
Teilchenstrahlen wieder ins All beschleunigt wird und dadurch sogenannte
Radiojets entstehen.
Auf Radiobildern ist dann auch ein helles Paar von Jets zu erkennen, das von
links nach rechts verläuft sowie eine etwas weiter entfernte Linie mit
Radioemissionen, die eine andere Orientierung hat. Damit gehört 4C +00.58 zur
Klasse der "X-förmigen" Galaxien. Die Chandra-Beobachtungen im
Röntgenbereich könnten nun vielleicht einen Hinweis liefern, was in diesem und
in anderen vergleichbaren Systemen passiert ist. Auf den Röntgenbildern
entdeckten die Astronomen nämlich vier, paarweise angeordnete Hohlräume um das
Schwarze Loch - ein Paar oben rechts und unten links, das andere oben links und
unten rechts.
"Wir glauben, dass dieses Schwarze Loch schon eine bewegte Geschichte hat",
erläutert Christopher Reynolds von der University of Maryland in
College Park. "Zwei Mal hat vermutlich irgendein Ereignis dazu geführt, dass
sich die Drehachse des Schwarzen Lochs verändert hat."
Nach dem Szenario, das die Astronomen entwickelt haben, verlief die Drehachse
des Schwarzen Lochs zunächst entlang einer diagonalen Linie von oben rechts nach
unten links. Nach einer Kollision mit einer kleineren Galaxie wurde ein aus der
Umgebung des Schwarzen Lochs ausgehender Jet entfacht, durch den die Löcher oben
rechts und unten links in das heiße, Röntgenstrahlen-aussendende Gas geblasen
wurden.
Durch das Material, das nach der Kollision in das Schwarze Loch fiel, änderte
sich die Ausrichtung der Drehachse des Schwarzen Lochs, wodurch auch die Jets
eine neue Richtung erhielten und die beiden anderen Löcher im heißen Gas
erzeugten. Anschließend muss sich dann die Drehachse des Schwarzen Lochs erneut
verändert haben. Dafür könnte entweder die Verschmelzung der beiden Schwarzen
Löcher in den kollidierten Galaxien verantwortlich gewesen sein oder weiteres
einfallendes Gas. Dadurch erhielt die Drehachse ihre heutige Ausrichtung von
links nach rechts.
Solche Änderungen in der Ausrichtung der Drehachse waren schon zuvor als
Erklärung für X-förmige Galaxien diskutiert worden, doch fehlten bislang
Hinweise aus Beobachtungen, die diese Vermutung unterstützen. "Wenn unser
Verdacht stimmt, dann sind Jets und diese Hohlräume so etwas wie kosmische
Fossilien, die uns helfen können, die Verschmelzungsgeschichte eines aktiven
Schwarzen Lochs und seiner Galaxie nachzuvollziehen", so Hodges-Kluck. Ihre
Resultate veröffentlichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift The
Astrophysical Journal Letters.
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