Ferne Galaxien verraten Masse von Abell 315
von Stefan Deiters astronews.com
5. Mai 2010
Auf einem heute von der europäischen Südsternwarte ESO
veröffentlichten Bild sind Tausende von entfernten Galaxien zu sehen. Es zeigt
einen Bereich, der gerade einmal der Größe des Vollmonds am Himmel
entspricht. Zahlreiche Galaxien auf der Aufnahme gehören zum Galaxienhaufen Abell 315, der durch
seine gewaltige Masse das Licht noch entfernterer Systeme ablenkt.
Blick mit dem Wide Field Imager des 2,2
Meter-Teleskops der ESO in La Silla auf den
Galaxienhaufen Abell 315.
Bild: ESO / J. Dietrich [Großansicht] |
Wer mit bloßem Auge an den nächtlichen Himmel schaut, sieht fast
ausschließlich Sterne unserer Milchstraße. Nur einige sehr nahe Galaxien sind
unter idealen Bedingungen ohne Hilfsmittel auszumachen. Weiter entfernte
Objekte sind einfach zu lichtschwach. Könnte wir auch diese mit bloßem Auge
erkennen, würde der Himmel dramatisch anders aussehen. Dies verdeutlichen
eindrucksvoll sogenannten Deep Field-Aufnahmen, bei dem ein kleiner, auf den
ersten Blick oft dunkler Bereich am Nachthimmel für längere Zeit mit einem
Teleskop anvisiert wird und dadurch unzählige Galaxien zum Vorschein kommen.
Die europäische Südsternwarte ESO hat jetzt ein Bild eines solchen tiefen
Blicks ins All veröffentlicht. Er ist mit Hilfe des MPG/ESO 2,2 Meter-Teleskops des
La Silla Observatory in Chile entstanden und zeigt eine Region des Himmels,
die in etwa der Größe des Vollmondes entspricht. Zu sehen sind unzählige
Galaxien in ganz unterschiedlichen Entfernungen: Einige sind uns so nahe, dass
man noch ihre Spiralstruktur oder ihren elliptischen Halo erkennen kann (etwa in
der oberen Bildhälfte), andere sind so weit entfernt, dass man sie nur als
Punkte erkennen kann. Ihr Licht war acht Milliarden Jahre oder länger unterwegs, bevor
es die Erde erreicht hat.
Links unterhalb der Bildmitte ist eine Ansammlung von rund 100 gelblichen
Galaxien zu sehen. Sie bilden den massereichen Galaxienhaufen Abell 315. Seinen
Namen verdankt der Haufen dem amerikanischen Astronomen George Abell, der 1958
einen Katalog von Galaxienhaufen zusammenstellte. Der hier gezeigte Haufen hat
darin die Nummer 315. Der Haufen liegt in einer Entfernung von etwa zwei
Milliarden Lichtjahren von der Erde im Sternbild Walfisch.
Galaxienhaufen sind die größten Strukturen im Universum, die durch
Gravitation zusammengehalten werden. Dabei macht die sichtbare Masse nur etwa zehn Prozent ihrer Gesamtmasse aus. Heißes Gas
zwischen den Galaxien trägt weitere zehn Prozent bei, beim Rest handelt es sich
um die mysteriöse Dunkle Materie.
Diese verrät sich allein durch ihre Gravitationswirkung: Die Gesamtmasse des
Galaxienhaufens wirkt auf das Licht von dahinter liegenden Galaxien wie ein
riesiges kosmisches Vergrößerungsglas, so dass das Bild dieser Galaxien leicht
verzerrt erscheint. Durch die genaue Analyse der Bilder der Hintergrundgalaxien
können Astronomen somit auf die Gesamtmasse des Haufens schließen, der für die
Verzerrungen verantwortlich ist.
Da der Effekt äußerst gering ist, müssen für eine verlässliche
Aussage die Bilder unzähliger Hintergrundgalaxien analysiert werden. In diesem Fall haben
sich die Wissenschaftler fast 10.000 Galaxien angeschaut und
daraus eine Haufenmasse für Abell 315 berechnet, die bei der 100
Billionen-fachen Masse unserer Sonne liegt. Ein Artikel über diese Arbeit
erschien im vergangenen Jahr in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.
Auf dem Bild sind allerdings nicht nur weit entfernte Objekte auszumachen:
Neben zahlreichen Sternen der Milchstraße sind auch Asteroiden des
Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter zu sehen, die sich durch blaue,
grüne oder rötlich Leuchtspuren verraten. Dies ist auch ein Hinweis darauf, dass
das Bild aus Beobachtungen in verschiedenen Filterbereichen zusammengesetzt
wurde.
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