Uralte Sterne in Zwerggalaxien aufgespürt
von Stefan Deiters astronews.com
17. Februar 2010
Nach den aktuellen Theorien über Galaxienentstehung sollte
es auch in den Zwerggalaxien rund um die Milchstraße noch Exemplare der ersten
und ältesten Sterne geben. Doch trotz intensiver Suche war es Astronomen bislang
nicht gelungen, diese auch aufzuspüren. Dank neuer Beobachtungen mit dem
Very Large Telescope der ESO wurde man nun aber fündig.
Die Fornax-Zwerggalaxie. Auch hier fanden die
Astronomen uralte Sterne, nach denen so lange
gefahndet worden war.
Bild: ESO / Digitized Sky Survey 2 [Großansicht] |
"Wir haben im Grunde genommen herausgefunden, was wir bei der
bisherigen Suche falsch gemacht haben", erläutert Else Starkenburg von der
Universität im niederländischen Groningen die Bedeutung ihrer Entdeckung, die
das Team in einem Fachartikel in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics
beschreibt. "Unser verbesserter Ansatz erlaubt es uns nun, die primitiven Sterne
unter all den anderen, gewöhnlichen Sternen aufzuspüren."
Diese "primitiven Sterne" haben sich nach der Theorie der Astronomen relativ
kurze Zeit nach dem Urknall gebildet. Sie enthalten daher extrem wenig Elemente,
die schwerer als Wasserstoff und Helium sind. Der Anteil dieser schwereren
Elemente, die Astronomen allgemein als "Metalle" zusammenfassen, beträgt bei
ihnen weniger als ein Tausendstel des Anteils in Sternen wie etwa der Sonne. Sie
werden daher auch extrem metallarme Sterne genannt und gehören zu den ersten
Generationen von Sternen überhaupt. Sie sind äußerst selten und wurden bislang
überwiegend in der Milchstraße entdeckt.
Allerdings sollte sich, so eine andere Theorie der Wissenschaftler, die
Milchstraße in ihrer heutigen Form im Laufe von Milliarden Jahren durch die
Verschmelzung zahlreicher kleinerer Galaxien gebildet haben. Die extrem
metallarmen Sterne unserer Milchstraße müssen also auch schon in den Galaxien
vorhanden gewesen sein, aus denen sich unsere Heimatgalaxie einmal gebildet hat.
Außerdem müssten sich in Zwerggalaxien, die noch nicht mit der Milchstraße
verschmolzen sind, auch eine solche Population von extrem metallarmen Sternen
finden lassen.
"Bislang war man bei der Suche relativ erfolglos", so Teammitglied Giuseppina
Battaglia von der Europäischen Südsternwarte ESO. "Bei großen Durchmusterungen
hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass die ältesten
Sternenpopulationen der Milchstraße und die in Zwerggalaxien nicht
zusammenpassen. Und das war nicht das, was wir von kosmologischen Modellen
erwartet hatten."
Die Elementhäufigkeit können Astronomen aus den Spektren der Sterne ablesen.
Sie sind so etwas wie der chemische Fingerabdruck eines Sterns. Das "Dwarf
galaxies and Radial-velocities Team" (DART) hat mit Hilfe des Spektrographen
FLAMES am Very Large Telescope der ESO in Chile die Spektren von
insgesamt 2.000 Riesensternen in den benachbarten Zwerggalaxien Fornax, Sculptor,
Sextans und Carina aufgenommen. Die Zwerggalaxien sind alle um die 300.000
Lichtjahre von der Erde entfernt, so dass sich nur sehr markante Besonderheiten
in den Spektren der Sterne erkennen lassen - vergleichbar etwa mit einem etwas
verschmierten Fingerabdruck.
Nach Auswertung der Daten fand das Team dann auch keinen einzigen extrem
metallarmen Stern. Starkenburg und ihre Kollegen haben sich dem Problem nun
erneut angenommen und dazu die Spektren mit den Ergebnisse von Computermodellen
verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass es nur sehr feine Unterschiede
zwischen den Spektren normaller metallarmer und extrem metallarmer Sterne gibt.
Damit konnten sie erklären, warum die bisherigen Suchen keinen Erfolg hatten.
Mit diesem Wissen und mit Hilfe des Instrumentes UVES am Very Large
Telescope, das deutlich detailliertere Spektren machen kann, konnten die
Astronomen dann verschiedene extrem metallarme Sterne zweifelsfrei nachweisen.
"Im Vergleich zu den sehr schlechten Fingerabdrücken, die wir vorher zur
Verfügung hatten, ist das so, als würden wir einen Fingerabdruck mit dem
Mikroskop anschauen", vergleicht Teammitglied Venessa Hill vom Observatoire
de la Côte d'Azur. "Leider kann man nur wenige Sterne so genau untersuchen,
weil das ganze sehr zeitaufwendig ist."
"Unter den neu entdeckten extrem metallarmen Sternen in diesen Zwerggalaxien
haben drei einen relativen Anteil an schwereren chemischen Elementen, der nur
zwischen 1/3.000 und 1/10.000 von dem der Sonne liegt", so Martin Tafelmeyer von
der Université de Genève und der Ecole Polytechnique Fédérale de
Lausanne, der auch zum Team gehörte. "Darunter ist auch ein neuer
Rekordhalter, für den 'primitivsten' Stern, der außerhalb der Milchstraße
gefunden wurde."
"Dank unserer Arbeit konnten wir nicht nur einige sehr interessante, erste
Sterne in diesen Galaxien aufspüren", fasst Starkenburg zusammen, "sondern haben
jetzt auch eine leistungsfähige Technik zur Hand, um weitere solche Sterne zu
entdecken. Jetzt können sie sich nirgendswo mehr verstecken."
|