Astronomen entdecken stellare Zeitbombe
von Stefan Deiters astronews.com
18. November 2009
Mit Hilfe des Very Large Telescope der europäischen
Südsternwarte ESO haben Astronomen den ungewöhnlichen Nova-Ausbruch eines Sterns
über mehrere Jahre beobachtet. V445 Puppis ist danach ein heißer Kandidat für
eine Supernova-Explosion vom Typ Ia - also für eine jener Explosionen, die auch
für die Erforschung der Dunklen Energie von großer Bedeutung sind.
Die sich ausdehnende Materiehülle um das
System V445 Puppis.
Bild: ESO/P.A. Woudt [Großansicht] |
"Eines der größten Probleme der modernen Astrophysik ist die
Tatsache, dass wir immer noch nicht sicher wissen, welche Systeme genau als
Supernova vom Typ Ia explodieren", erklärt Patrick Wouldt von der University
of Cape Town, der auch Hauptautor eines Fachartikels über die Ergebnisse im
Astrophysical Journal ist. "Da aber gerade dieser Supernova-Typ für die
Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums durch eine mysteriöse
Dunkle Energie eine große Bedeutung hatte, ist dies schon recht ärgerlich."
Um etwas mehr über diese Supernova-Art zu erfahren, hatten sich die
Astronomen mit einem Objekt beschäftigt, das unter der Bezeichnung V445 Puppis
bekannt ist und im Sternbild Achterdeck des Schiffs liegt. Es handelt sich dabei
um ein Doppelsternsystem, in dem ein Weißer Zwergstern, also ein ausgebrannter
kompakter Sternenrest, von einem anderen Stern umkreist wird. Der Weiße Zwerg
kannibalisiert seinen Begleiter und zieht fortwährend Material von dem anderen
Stern ab - bis sich irgendwann so viel Materie auf der Oberfläche des Weißen
Zwergs angesammelt hat, dass es zu einer Explosion kommt, die das Material ins
All schleudert. Der Prozess kann dann wieder von Neuem beginnen. Diese
unregelmäßigen Ausbrüche, die den Weißen Zwerg nicht zerstören, nennt man Novae.
Bei V445 Puppis konnten die Astronomen im November 2000 einen solchen
Nova-Ausbruch beobachten, bei dem der Stern eine gewaltige Menge an Material ins
All schleuderte und etwa 250-mal heller wurde als er zuvor war. Das Besondere an
diesem Ausbruch war aber, dass es die bislang einzige Nova ohne eine Spur von
Wasserstoff ist. "Das ist wichtig, da es auch in Supernovae vom Typ Ia keinen
Wasserstoff gibt", erklärt Teammitglied Danny Steeghs von der englischen
University of Warwick. "Zusätzlich passt der Begleitstern gut ins Bild,
weil auch er über keinen Wasserstoff verfügt und hauptsächlich Heliumgas an den
Weißen Zwerg abgibt."
Mit dem Instrument NACO am Very Large Telescope der Europäischen
Südsternwarte ESO in Chile haben die Astronomen V445 Puppis über zwei Jahre
beobachtet. Dank der adaptiven Optik des Instrumentes, mit der die Unruhe der
Atmosphäre herausgefiltert werden kann und dadurch fast Aufnahmen wie aus dem
All möglich werden, gelangen detaillierte Bilder des Systems. Zu erkennen ist
eine zweigeteilte Materiehülle mit einer anfänglich sehr ausgeprägten
Einschnürung in der Mitte. Die beiden Knoten an den Enden der Hülle bewegen sich
mit einer Geschwindigkeit von rund 30 Millionen Kilometern pro Stunde. Die Hülle
selbst dehnt sich mit einer Geschwindigkeit von 24 Millionen Kilometer pro
Stunde aus. Eine dicke Staubscheibe im Zentrum verdeckt die beiden Sterne.
"Diese eindrucksvollen Details können wir nur dank der adaptiven Optik
erkennen", so Steeghs. "Das Auflösungsvermögen ist vergleichbar mit einer
Euro-Münze, die man aus 40 Kilometern Entfernung betrachtet."
Supernovae vom Typ Ia sind eine Variante des explosiven Endes eines Sterns.
Sie sind vor allem deswegen von Bedeutung, weil sie den Astronomen als
sogenannte Standardkerzen dienen, mit deren Hilfe sie Entfernungen im All
bestimmen können. Sie haben auch eine entscheidende Rolle bei der Entdeckung der
beschleunigten Expansion des Universums gespielt, die von einer bislang
unerklärten Dunklen Energie angetrieben wird.
Dieser Supernova-Typ geht nach Ansicht der Wissenschaftler auf Systeme wie
V445 Puppis zurück. Damit es aber zu einer den Stern zerstörenden Explosion
kommt und nicht nur zu einer Nova, muss es dem Weißen Zwerg gelingen, trotz der
regelmäßigen Mini-Explosionen Material an seiner Oberfläche anzusammeln, um so
irgendwann eine kritische Masse zu erreichen, die ihn als Ganzes explodieren
lässt. Entscheidend ist nun herauszufinden, unter welchen Bedingungen eine
solcher kontinuierlicher Massezuwachs gelingen kann.
Durch die NACO-Beobachtungen und Daten von zahlreichen anderen Instrumenten
gelang es den Astronomen die Entfernung zu dem System und seine Helligkeit zu
bestimmen. Es liegt rund 25.000 Lichtjahre von uns entfernt und scheint
10.000-mal heller als die Sonne. Das deutet darauf hin, dass der Weiße Zwerg
schon sehr nahe an der kritischen Grenze ist, bei der er als Supernova
explodieren würde. Gleichzeitig erhält er immer noch neues Material von seinem
Begleiter.
"Ob V445 Puppis als Supernova explodieren wird oder ob er bei dem jüngsten
Nova-Ausbruch genug Material ins All geschleudert hat, um diesem Schicksal zu
entgehen, wissen wir noch nicht", so Woudt. "Allerdings haben wir hier einen
sehr guten Kandidaten für eine zukünftige Supernova vom Typ Ia."
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