Blick in ein kosmisches Schmuckkästchen
von Stefan Deiters astronews.com
30. Oktober 2009
Drei Teleskope, ein Ziel: Die europäische Südsternwarte ESO
und die ESA veröffentlichten jetzt eindrucksvolle Bilder des offenen
Sternhaufens NGC 4755, dem der englische Astronom John Herschel den Spitznamen
Schmuckkästchen gegeben hat. Durch die Kombination der Aufnahmen ergibt sich ein
ganz neuer Blick auf dieses kosmische Juwel in 6.400 Lichtjahren Entfernung.
Der offene Sternhaufen NGC 4755 in einer
Aufnahme des VLT.
Bild: ESO/Y. Beletsky
Blick auf NGC 4755 mit verschiedenen
Teleskopen.
Bild: ESO, NASA/ESA, Digitized Sky Survey
2 und Jesús Maíz Apellániz (Instituto de
Astrofísica de Andalucía, Spanien) [Großansicht] |
Sternhaufen üben sowohl auf Amateurastronomen als auch auf
Wissenschaftler eine besondere Faszination aus. Sie sind nicht nur interessante
Beobachtungsobjekte, sondern auch astrophysikalisch von Interesse. Eine der
wohl spektakulärsten Exemplare unter den offenen Sternhaufen befindet sich in
rund 6.400 Lichtjahren Entfernung im südlichen Sternbild Kreuz des Südens - der Kappa-Crucis-Haufen oder NGC 4755.
Der Sternhaufen ist sogar so hell, dass man ihn schon mit bloßem Auge
beobachten. Er wird zuweilen auch Herschels Schmuckkästchen genannt, einen
Spitznamen, den er dem englischen Astronomen John Herschel verdankt. Diesen
erinnerte der Haufen bei seinen teleskopischen Beobachtungen in den 1830er
Jahren wegen der eindrucksvollen Farbunterschiede zwischen den bläulichen und
orangenen Sternen an teuren Juwelenschmuck.
Offene Sternhaufen gibt es in ganz unterschiedlicher Größe: Sie können nur
eine Handvoll von Sternen enthalten oder einige tausend Sterne, alle locker
durch ihre gegenseitige Anziehungskraft miteinander verbunden. Man geht davon
aus, dass die Sterne eines Sternhaufens alle zum gleichen Zeitpunkt aus der
gleichen Wolke aus Gas und Staub entstanden sind. Sie stellen deshalb ideale
natürliche Laboratorien zum Studium der Sternentwicklung dar. Vermutlich
entstanden die meisten Sterne - einschließlich unserer Sonne - in offenen
Sternhaufen.
In einem Übersichtsbild aus dem Digitized Sky Survey 2 ist die
Position des Haufens gut zu erkennen. Auch Teile einer Kohlensack genannten
Dunkelwolke sind darauf auszumachen. Das Bild des Wide Field Imagers,
der am MPG/ESO 2,2-Meter Teleskop am La Silla Observatorium der ESO in Chile
montiert ist, zeigt dann den farbenprächtigen Haufen in seiner ganzen Schönheit.
Zahlreiche Sterne auf dem Bild liegen hinter intergalaktischen Staubwolken und
erscheinen daher rötlich.
Mit Hilfe des Instrumentes FORS1 am Very Large Telescope der ESO
wurde dann ein noch detaillierterer Blick auf das Schatzkästchen möglich. Bei
der Aufnahme handelt es sich um eines der besten Bilder, die je von diesem Haufen
von der Erde aus gemacht worden sind. Nur das Weltraumteleskop Hubble
konnte diese Leistung dann noch steigern - mit einer Aufnahme, in der Licht
mit Wellenlängen vom Ultravioletten bis zum nahen Infrarot miteinander
kombiniert wurde.
So entstand eine Ansicht, die von der Erde aus nicht zu erhalten ist und
einen ganz neuen Blick auf NGC 4755 erlaubt. Für die Beobachtungen wurde die
inzwischen außer Dienst gestellte Wide Field and Planetary Camera 2 von
Hubble verwendet. Zu erkennen sind zahlreiche helle, bläuliche
Superriesen, ein einzelner rötlicher Riesenstern sowie zahlreiche andere Sterne
unterschiedlicher Färbungen.
Die Astronomen schätzen, dass die hellsten Sterne des Haufens etwa die 15-
bis 20-fache Masse unserer Sonne haben, die schwächsten Sterne auf dem
Hubble-Bild hingegen nur etwa die Hälfte der Sonnenmasse. Die massereichen
Sterne leuchten deutlich heller als ihre masseärmeren Geschwister, gehen mit
ihrem Brennstoff also erheblich verschwenderischer um. So erklärt es sich, dass
das nukleare Leben von massereichen Sternen sehr viel früher zu Ende ist als das
von masseärmeren Sternen.
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