Fahrtwind zerzaust Galaxien im Virgohaufen
von Stefan Deiters astronews.com
1. Oktober 2009
Jetzt veröffentlichte Aufnahmen des Weltraumteleskops
Hubble zeigen zwei Galaxien im Virgo-Galaxienhaufen, die recht zerzaust
aussehen und offenbar gerade einen erheblichen Teil ihres Gases verlieren. Grund
dafür ist das heiße Gas im Galaxienhaufen, durch das ein starker Fahrtwind
entsteht, der Gas aus den Galaxien mitreißt und ihr Aussehen so erheblich
beeinflusst.
Hubble-Bilder der Galaxien NGC 4402 (oben)
und NGC 4522.
Bild: NASA & ESA [Großansicht] |
Die beiden jetzt veröffentlichten Aufnahmen des Weltraumteleskops
Hubble entstanden lange vor der im Mai abgeschlossenen Service-Mission
und wurden mit der Advanced Camera for Surveys gemacht. Sie zeigen zwei
Galaxien im Virgo-Galaxienhaufen, die relativ "mitgenommen" aussehen und
offenbar gerade einen beträchtlichen Teil ihres Gases verlieren. Grund dafür ist
das extrem heiße und Röntgenstrahlen aussendende Gas, das sich in Galaxienhaufen
zwischen den Galaxien befindet. Wenn sich die Galaxien mit hoher Geschwindigkeit
durch dieses Gas bewegen, sorgt dies für einen starken Wind, der Gas aus den
Galaxien entreißt, Sternentstehung stoppen und das Aussehen der Galaxien
erheblich beeinflussen kann.
Der Effekt ist dabei vergleichbar mit dem Fahrtwind, den man auch auf einer
Fahrradfahrt bemerkt, selbst wenn es windstill ist. Die beiden beobachteten
Galaxien im Virgohaufen kreisen um das Zentrum des Galaxienhaufens und bewegen
sich dabei durch das Gas, das sich zwischen den Galaxien des Haufens befindet.
Der so entstehende Wind reißt Material aus den Galaxien mit.
Die Spiralgalaxie NGC 4522 (im Bild unten) liegt etwa 60 Millionen Lichtjahre
von der Erde entfernt und ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für eine
Galaxie, die gerade ihres Gases beraubt wird. Der dramatische Gasverlust hat mit
der Geschwindigkeit zu tun, mit der die Galaxie im Virgohaufen unterwegs ist.
Astronomen schätzen sie auf mehr als 10 Millionen Kilometer pro Stunde. Auf dem
Hubble-Bild ist erkennbar, dass sich in dem aus der Galaxie
herausgerissenen Gas schon einige neue Sternhaufen gebildet haben. Rechts und
links des Zentrums sind helle bläuliche Bereiche zu erkennen, in denen gerade
neue Sternentstehung stattfindet.
Auch auf dem Bild von NGC 4402 sind Anzeichen dieses als "ram pressure
stripping" bezeichneten Vorgangs des Gasverlustes zu erkennen, wie etwa die
leicht gebogene Form der Scheibe aus Gas und Staub. Das Studium solcher Prozesse
verrät den Astronomen einiges über die Entwicklung von Galaxien und wirft ein
neues Licht auf die Frage, ob und wie die Sternentstehungsrate in den dichten
Regionen des Universums, etwa in den Zentren von Galaxienhaufen, verringert
wird.
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