Wie die Sonne den Raum krümmt
von Stefan Deiters astronews.com
10. September 2009
Wissenschaftler haben mithilfe eines über den gesamten
amerikanischen Kontinent verteilten Netzwerks aus Radioteleskopen die Krümmung
des Raums durch die Masse der Sonne mit großer Genauigkeit bestimmt. Von
weiteren ähnlichen Messungen erhoffen sie sich auch neue Hinweise auf das
Verhältnis der allgemeinen Relativitätstheorie zur Quantenphysik.
Licht- und Radiowellen werden von der
Krümmung des Raums in der Nähe der Sonne
abgelenkt.
Bild: NASA / JPL |
"Die Messung der Raumkrümmung ist eine der besten Möglichkeiten
etwas über die allgemeine Relativitätstheorie von Einstein und ihre Verbindung
zur Quantenphysik zu lernen", erläutert Sergei Kopeikin von der University
of Missouri die Bedeutung der Messungen. Nach Einstein lässt sich
Gravitation als Krümmung der Raumzeit beschreiben, die von der Masse eines
Objektes verursacht wird. "Die Vereinigung von Gravitationstheorie und
Quantentheorie ist eine der wichtigsten Aufgaben der Physik des 21. Jahrhunderts
und diese astronomischen Messungen sind ein Schlüssel, um das Verhältnis der
beiden besser zu verstehen."
Zusammen mit seinen Kollegen hat Kopeikin das Very Long Baseline Array
(VLBA), ein Verbund von mehreren Radioteleskopen, die über ganz Nordamerika
verteilt sind, verwendet, um die Lichtablenkung durch die Anziehungskraft der
Sonne mit einem Fehler von nur 0,03 Prozent zu messen. Die Wissenschaftler
glauben, dass sie mit ihrer Technik die bislang genauesten Messungen dieses
Wertes liefern können.
Dass das Licht von Sternen durch Gravitation beeinflusst wird, hatte schon
Albert Einstein in seiner allgemeinen Relativitätstheorie 1916 vorausgesagt.
Danach sorgt die Masse eines Objektes für eine Krümmung des Raums in seiner
unmittelbaren Umgebung, wodurch Licht- oder Radiowellen, die in der Nähe des
Objekte entlanglaufen, abgelenkt werden. Zuerst beobachtet wurde dieses Phänomen
bei einer Sonnenfinsternis im Jahr 1919, was damals als erste Bestätigung der
allgemeinen Relativitätstheorie gewertet wurde.
Doch auch 90 Jahre danach haben Wissenschaftler auf eines noch keine Antwort
gefunden: Wie lässt sich die allgemeine Relativitätstheorie, die auf großen
Skalen so ausgezeichnet zu funktionieren scheint, mit der Quantentheorie
vereinen, die die Welt der kleinsten Partikel beschreibt? Die Wissenschaftler
hoffen, etwa durch eine immer genauere Messung der Lichtablenkung oder der
Raumkrümmung neue Hinweise darauf zu finden. Entscheidend dabei ist ein
Parameter, den die Forscher mit dem griechischen Buchstaben "Gamma" bezeichnen.
Nach Einstein sollte dieses Gamma genau 1,0 sein.
"Selbst wenn der Wert nur um einen Millionstel Bruchteil von 1,0 abweichen
würde, hätte das für die Vereinigung von Gravitationstheorie und Quantentheorie
große Bedeutung und damit auch für die Vorhersage von Phänomenen in Regionen mit
extrem hoher Gravitationskraft wie etwa in der Nähe von Schwarzen Löchern", so
Kopeikin.
Mit dem VLBA lässt sich die Position von Objekten am Himmel äußerst genau
bestimmen und das Team nutzte diese Fähigkeiten, um vier entfernte Quasare zu
beobachten, an denen die Sonne im Oktober 2005 am Himmel vorüberzog. Durch ihre
Anziehungskraft sorgte die Sonne dafür, dass sich die scheinbare Position der
Quasare leicht veränderte. Bei Quasaren handelt es sich um die hellen Kerne von
weit entfernten Galaxien. Aus diesen Beobachtungen ermittelten die Forscher
einen Wert für Gamma von 0,9998 +/- 0,0003, was gut mit Einsteins Vorhersage von
1,0 übereinstimmt.
"Mit weiteren Beobachtungen wie diesen und mit Hilfe von ergänzenden
Messungen etwa von der Saturnsonde Cassini können wir den Wert für
Gamma in der Genauigkeit noch um mindestens einen Faktor vier verbessern, was
dann der genaueste Wert für Gamma wäre, der je bestimmt wurde", so Edward
Fomalont vom National Radio Astronomy Observatory (NRAO). "Da dieses
Gamma ein so fundamentaler Wert der Gravitationstheorie ist, ist es von großer
Bedeutung, den Parameter mit verschiedenen Techniken zu bestimmen, damit man so
einen Wert erhält, der von allen Physikern akzeptiert wird."
Über ihre Messungen berichteten das Team im Juli in der Fachzeitschrift
The Astrophysical Journal.
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