Schwarze Löcher im Halo der Milchstraße?
von Stefan Deiters astronews.com
29. April 2009
Das Szenario könnte aus einem Science Fiction-Film stammen,
ist allerdings das Ergebnis von Computersimulationen von Forschern am
angesehenen Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics im
amerikanischen Cambridge: In unserer Milchstraße könnte es Hunderte
vagabundierende Schwarze Löcher geben, die aus der Entstehungsphase unserer
Galaxie übrig geblieben sind. Glücklicherweise sollten sie weit von der Erde
entfernt sein.
Vagabundieren
Hunderte von Schwarzen Löchern aus der
Entstehungszeit der Milchstraße im Halo?
Bild: David A. Aguilar (CfA) |
"Die Schwarzen Löcher sind Überreste aus der Vergangenheit
der Milchstraße", erläutert Avi Loeb vom Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics im amerikanischen Cambridge, der die jetzt vorgestellten
Simulationen zusammen mit seinem Kollegen Ryan O'Leary durchgeführt hat. "Man
könnte uns also auch als Archäologen bezeichnen, die diese Relikte studieren, um
mehr über die Zeit der Entstehung der Milchstraße und die Bildung von Schwarzen
Löchern im Universum zu erfahren." Die Ergebnisse der Wissenschaftler erscheinen
in Kürze in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical
Society.
Nach Ansicht von Loeb und O'Leary stammen die Schwarzen Löcher aus kleinen,
massearmen Galaxien, die vor einigen Milliarden Jahren verschmolzen sind und so
die Milchstraße bildeten. Dieses hierarchische Modell der Galaxienentwicklung
ist heute allgemein akzeptiert. Jedes Mal aber wenn zwei dieser Zwerggalaxien
kollidieren und verschmelzen, dann verschmelzen auch ihre Schwarzen Löcher,
sofern die Galaxien denn welche hatten. Bei diesem Verschmelzungsprozess, so die
Astronomen, würde das entstehende Schwarze Loch einen Kick erhalten, der es aus
der Zwerggalaxie katapultiert, nicht aber aus dem Einflussbereich der
entstehenden Milchstraße.
Diese hinaus gekickten Schwarzen Löcher müssten also auch heute noch
vorhanden sein und zwar in den äußeren Bereichen unserer Milchstraße - weit weg
vom Sonnensystem und der Erde. Die Astronomen schätzen, dass es Hunderte dieser
Schwarzen Löcher dort geben könnte, die jeweils eine Masse haben, die etwa der
1.000- bis 100.000-fachen Masse unserer Sonne entspricht.
Doch wie soll man sie aufspüren? Schwarze Löcher lassen sich in der Regel nur
entdecken, wenn sie gerade Materie verschlucken. Vielleicht gibt es aber noch
eine andere Möglichkeit: Loeb und O'Leary glauben, dass die Schwarzen Löcher
auch dann zu finden sein müssten, wenn sich um sie ein kleine Ansammlung von
Sternen befindet, die sie mitreißen konnten, als sie aus ihrer Zwerggalaxie
gekickt wurden. Dieser winzige und kompakte Sternhaufen würde sich allerdings in
unmittelbarer Nähe des Schwarzen Lochs befinden und von der Erde eher wie ein
einzelner Stern erscheinen.
Deswegen schlagen die Astronomen vor, nach indirekten Hinweisen auf die
Existenz dieser kompakten Haufen zu suchen: Spektren beispielsweise könnten
verraten, dass man es mit mehr als einem Objekt zu tun hat. Die Sterne müssten
sich zudem unter dem Einfluss der Anziehungskraft des Schwarzen Lochs äußerst
schnell bewegen. "Der Sternhaufen ist fast so etwas wie ein Leuchtturm, der vor
einem gefährlichen Riff warnt", vergleicht O'Leary. "Ohne diese Sterne wären die
Schwarzen Löcher unmöglich zu entdecken."
Wie viele dieser Schwarzen Löcher es gibt, hängt, so die Forscher, davon ab,
wie viele der protogalaktischen "Bausteine" über Schwarze Löcher im Zentrum
verfügten und wie diese Zwerggalaxien letztlich verschmolzen sind, um die
Milchstraße zu bilden. Die Entdeckung dieser Familie von Schwarzen Löcher in den
Randbereichen unserer Heimatgalaxie könnte daher einiges über die
Entstehungsgeschichte der Milchstraße verraten.
Vielleicht, hoffen die Wissenschaftler, ist die Entdeckung dieser kompakten
Sternhaufen leichter als man vielleicht zunächst denken mag: "Bis jetzt haben
Astronomen noch nie nach solchen äußerst kompakten Sternhaufen im Halo der
Milchstraße gesucht", so Loeb. "Jetzt wissen wir aber, nach was man suchen muss
und kann daher schon vorhandene Himmelsdurchmusterungen nach dieser neuen Klasse
von Objekten absuchen."
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