Ungewöhnliche Weiße Zwerge in NGC 6397
von Stefan Deiters astronews.com
24. April 2009
24 ungewöhnliche Weiße Zwerge haben Astronomen auf neuen
Bildern des Kugelsternhaufens NGC 6397 identifizieren können, die das Weltraumteleskop
Hubble gemacht hat. 18 davon waren zuvor nicht bekannt. Die Sternenreste haben
keinen Kern aus Kohlenstoff und Sauerstoff, sondern einen aus Helium. Die
Wissenschaftler vermuten, dass diese Weißen Zwerge Partner in
Doppelsternsystemen sind.
Das Zentrum des Kugelsternhaufens NGC 6397.
Bild: NASA/ESA und das Hubble Heritage
Team (AURA/STScI) [Großansicht] |
"Weiße Zwerge mit einem Kern aus Helium haben nur etwa eine halb
so große Masse wie typische Weiße Zwerge und man findet sie vermehrt in den
Zentren von Haufen", erläutert Adrienne Cool, Professorin für Physik und
Astronomie an der San Francisco State University, die zusammen mit Doktorandin
Rachel R. Strickler und weiteren Kollegen einen Fachartikel in der Zeitschrift
The Astrophysical
Journal über die Untersuchung veröffentlicht hat. "Mit so niedrigen Massen
sollten sich die Weißen Zwerge mit Heliumkern eigentlich überall in dem Haufen
finden lassen. Aus der Beobachtung, dass wir sie nur im Zentrum finden, kann man
schließen, dass sie einen massereichen Begleiter haben müssen, der sie im
Haufenzentrum festhält."
Die Schlussfolgerung der Astronomen beruht auf dem Sachverhalt, dass sich in
Kugelsternhaufen die Sterne entsprechend ihrer Masse sortieren: Die
massereichsten Objekte findet man - durch ein Massensegregation genanntes
Phänomen - am ehesten im Zentrum der Haufen. Weiße Zwerge sind die Endphasen in
der Entwicklung von masseärmeren Sternen, zu denen auch unsere Sonne gehört.
Die These, dass die Weißen Zwerge mit einem reinen Heliumkern eine Begleiter
haben, würde auch helfen, ihre ungewöhnliche chemische Zusammensetzung zu
erklären: Normalerweise bleibt am Ende eines nuklearen Sternenlebens nämlich ein
Kern aus Sauerstoff und Kohlenstoff zurück. Wenn der Stern allerdings eine
Begleiter hat, könnte dessen Anwesenheit den Start der letzten Phase des
Sternenlebens, das Verbrennen von
Helium in Kohlenstoff und Sauerstoff, unterdrücken.
Für ihre Studie untersuchten die Astronomen den Kugelsternhaufen NGC 6397,
der zu den erdnächsten Haufen dieser Art zählt und nur rund 7.200 Lichtjahre von
uns entfernt ist. Cool hatte zusammen mit Kollegen bereits 1998 die ersten drei
Weißen Zwerge mit Heliumkern in diesem Haufen entdeckt, später wurden drei
weitere aufgespürt. Die Hubble-Beobachtungen lieferten nun 18
zusätzliche Exemplare.
"Dies ist das erste Mal, dass Weiße Zwerge mit Heliumkern zusammen mit
anderen Weißen Zwergen in einem Kugelsternhaufen aufgespürt wurden", erläutert
Cool die Bedeutung des Fundes. "Durch die große Zahl können wir nun Aussagen
über die Masse und Art der Begleitsterne machen und auch über ihre Verbreitung
in dem Kugelsternhaufen."
Doppelsterne spielen bei der Dynamik von Kugelsternhaufen eine wichtige
Rolle, da sie dem Haufenzentrum Energie zuführen. Dies würde helfen, so die Annahme der
Forscher, etwa die Entstehung von Schwarzen Löchern in Kugelsternhaufen
zu verhindern. Cool errechnete, das ein bis fünf Prozent der Sterne in NGC
6397 ihr Leben als Weißer Zwerg mit Heliumkern und Begleiter beenden werden - ein
Wert, der für theoretische Modelle über die Dynamik des
Kugelsternhaufens wichtig ist. "Es mag sich nicht nach vielen Sternen anhören", so Cool,
"aber man benötigt nicht viele Doppelsterne, um Schwung in die Sache zu
bringen."
Eine Beobachtung ist den Astronomen aber noch ein Rätsel: Trotz der Empfindlichkeit
des Hubble-Weltraumteleskops haben sie keine sehr leuchtschwachen Weißen Zwerge
mit Heliumkern entdeckt. "Vielleicht kühlen diese Weißen Zwerge aber so langsam
ab, dass sie noch gar keine Zeit dazu hatten, leuchtschwach zu werden",
spekuliert Cool. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Doppelsternsysteme mit
den ältesten Weißen Zwergen mit Heliumkern durch Wechselwirkungen mit anderen
Sternen des Haufens zerstört worden sind.
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