Dreidimensionaler Blick auf entfernte Galaxien
von Stefan Deiters astronews.com
10. März 2009
Dank der Zusammenarbeit des Very Large Telescope
der Europäischen Südsternwarte ESO und des Weltraumteleskops Hubble
gelang Astronomen nun ein eindrucksvoller Blick auf Galaxien, die wir zu einem
Zeitpunkt sehen, zu dem das Universum nur halb so alt war wie heute. Dazu wurden
Hubble-Bilder mit VLT-Informationen über die Bewegung des Gases in den
entfernten Objekten ergänzt.
Die untersuchten
Galaxien: Oben die Aufnahmen von Hubble, unten
die Daten des FLAMES/GIRAFFE-Instrumentes am Very
Large Telescope.
Bild: ESO / Hammer et al. [vergrößerte
Gesamtansicht] |
Galaxien in rund sechs Milliarden Lichtjahren Entfernung waren
lange Zeit für Astronomen nicht mehr als ein schwach leuchtender Fleck am
Himmel. Erst durch das Weltraumteleskop Hubble gelangen im vergangenen
Jahrzehnt detaillierte Aufnahmen dieser entfernten Objekte, die einiges über
ihren Aufbau verraten haben. Mit Hilfe des Spektrographen FLAMES/GIRAFFE, der am
Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte auf dem
Gipfel des Paranal montiert ist, können mehrere Spektren auch innerhalb von sehr
kleinen entfernten Objekten gleichzeitig aufgenommen werden. Dies liefert den
Astronomen Informationen über die Bewegung des Gases in den entfernten Galaxien.
"Dank der einzigartigen Kombination von Hubble und dem VLT
können wir das Aussehen von entfernten Galaxien fast genauso gut rekonstruieren
wie das von nahe gelegenen", so Francois Hammer vom Observatoire de Paris,
der das Astronomenteam leitete und Hauptautor eines Fachartikels über die
Ergebnisse ist. "Genauer gesagt, können wir dank FLAMES/GIRAFFE die
Geschwindigkeit des Gases in verschiedenen Bereichen der entfernten Galaxie
bestimmen. Das bedeutet, dass wir sehen können, wie sich das Gas bewegt, was uns
einen dreidimensionalen Blick auf eine Galaxie erlaubt, die ein halbes
sichtbares Universum von uns entfernt ist."
Das Astronomenteam ist dabei Galaxien, die sowohl vom Weltraumteleskop
Hubble als auch mit GIRAFFE am VLT beobachtet worden sind, zu
rekonstruieren. Die jetzt vorliegenden ersten Ergebnisse für drei Galaxien
verdeutlichen, dass sich der Aufwand lohnen wird: So entdeckten die Forscher in
einer Galaxie eine Region mit vollständig ionisiertem Gas. Dies deutet
normalerweise auf die Anwesenheit von jungen, heißen Sternen hin. Allerdings
konnte Hubble auch nach insgesamt elf Tagen Beobachtungszeit keine
Sterne in dieser Region aufspüren.
"Diese ungewöhnliche Galaxie hat also einige Geheimnisse", meint Kollege
Mathieu Puech, Hauptautor eines weiteren Fachartikels, in dem die Ergebnisse der
Gruppe vorgestellt werden. Simulationen deuten darauf hin, dass womöglich die
Kollision von zwei sehr gashaltigen Spiralgalaxien die Beobachtung erklären
könnte. Durch dieses Ereignis wurde das Gas so weit aufgeheizt, dass es
ionisiert wurde und dass sich keine Sterne bilden konnten.
Genau den gegenteiligen Effekt beobachteten die Astronomen bei einer anderen
Galaxie: Hier entdeckten sie eine bläuliche Zentralregion, die offenbar von
einer rötlichen Scheibe umgeben und fast vollständig von Staub verborgen ist.
"Die Modelle deuten darauf hin, dass Gas und Sterne hier sehr schnell nach innen
spiralen", erklärt Hammer. Es könnte sich um die erste Beobachtung eines
Wiederaufbaus einer Scheibe nach einer gewaltigen Galaxienkollision handeln.
Die dritte Galaxie schließlich verfügt über einen ungewöhnlichen bläulichen
Balken, der vermutlich aus jungen, massereichen Sternen besteht. In näheren
Galaxien ist dies äußerst selten. Computersimulationen ergaben, dass der Balken
das Ergebnis einer Galaxienkollision sein könnte, an der zwei Galaxien mit
unterschiedlicher Masse beteiligt waren.
"Die Kombination von Hubble und FLAMES/GIRAFFE am VLT erlaubt es
uns, die entfernten Galaxien im Detail zu modellieren und dadurch mehr über die
Rolle der Kollisionen von Galaxien in der Vergangenheit zu lernen", erklärt
Puech. "Entscheidend ist, dass wir nun die Bewegung des Gases sehen können und
dadurch Masse und Orbits dieser alten Galaxien recht genau verfolgen können.
Hubble und VLT sind quasi Zeitmaschinen um die Geschichte des Universums zu
entschlüsseln", ergänzt Kollege Sébastian Peirani vom Institut
d'Astrophysique de Paris, Hauptautor eines weiteren Fachartikels über die
Resultate.
Die Wissenschaftler dehnen nun ihre Analyse auf die übrigen Galaxien aus, für
die die Informationen von beiden Instrumenten vorliegen. "Als nächsten Schritt
werden wir dann die Daten mit denen von näher gelegenen Galaxien vergleichen, um
so ein Bild von der Entwicklung der Galaxien in den vergangenen sechs bis acht
Milliarden Jahren zu bekommen", so Hammer. "Und das ist immerhin mehr als die
Hälfte des Alters des Universums."
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