Zwergplanet mit "warmer" Atmosphäre
von Stefan Deiters astronews.com
3. März 2009
Mit Hilfe des Very Large Telescope der Europäischen
Südsternwarte ESO gelang Astronomen nun ein aufschlussreicher Einblick in die
Atmosphäre des Zwergplaneten Pluto. Die Wissenschaftler entdeckten überraschend
große Mengen an Methan und stellten fest, dass die Atmosphäre etwa 40 Grad
wärmer ist als die Oberfläche Plutos. Doch auch dies sind gerade einmal minus
180 Grad Celsius.
So könnte die
Oberfläche von Pluto aussehen.
Bild: ESO / L. Calçada [Großansicht] |
"Mit dieser Menge an Methan wird klar, warum die Atmosphäre
des Pluto vergleichsweise warm ist", meint Emmanuel Lellouch vom
Observatoire de Paris, Hauptautor eines Fachartikels, in dem die neuen
Beobachtungen beschrieben werden. Er erscheint demnächst in der Zeitschrift
Astronomy & Astrophysics. Pluto hat etwa ein Fünftel der Größe der Erde und
besteht hauptsächlich aus Eis und Gestein. Auf dem Zwergplaneten, der rund
40-mal weiter von der Sonne entfernt ist als die Erde, herrschen an der
Oberfläche Temperaturen von minus 220 Grad Celsius.
Trotz dieser Kälte hat Pluto eine dünne Atmosphäre. Schon bei Beobachtungen
in den 1980er Jahren wurde eine dünne Hülle aus Stickstoff entdeckt, die zudem
Spuren von Methan und eventuell Kohlenmonoxid enthält. Wenn Pluto auf seiner
relativ unkreisförmigen Bahn recht weit von der Sonne entfernt ist, friert die
Atmosphäre und setzt sich auf der Oberfläche ab. Befindet sich Pluto näher an
der Sonne, sublimiert das Eis und die Atmosphäre wird wieder mit Gas
angereichert.
Bislang war es nur möglich die oberen Bereiche der Plutoatmosphäre
von der Erde aus zu studieren. So entdeckte man vor einigen Jahren
während einer Sternbedeckung, dass die obere Atmosphäre des
Zwergplaneten etwa 50 Grad wärmer ist als die Oberfläche. Man ermittelte
eine Temperatur von minus 170 Grad Celsius. Bei einer Sternbedeckung
wird das Licht eines entfernten Sterns durch ein Objekt unseres
Sonnensystems kurzzeitig verdeckt, was auch Informationen über die
Atmosphäre des verdeckenden Objektes liefert.
Allerdings erfuhr man bei diesen Beobachtungen wenig über Temperatur
und Druck der Atmosphäre in der Nähe von Plutos eisiger Oberfläche. Neue
Beobachtungen mit dem Cryogenic Infrared Echelle Spectrograph
(CRIRES), der am Very Large Telescope (VLT) der ESO auf dem
Gipfel des chilenischen Paranal montiert ist, lieferten dazu nun neue
Informationen: Die gesamte Atmosphäre des Pluto, nicht nur der obere
Bereich, hat eine durchschnittliche Temperatur von minus 180 Grad
Celsius und ist damit deutlich "wärmer" als die Oberfläche des
Zwergplaneten.
Damit scheint es in der Plutoatmosphäre eine sogenannte
Temperaturinversion zu geben: Je höher über der Oberfläche man misst,
desto wärmer ist die Atmosphäre. Bei Pluto scheint dies zwischen drei
und 15 Grad pro Kilometer auszumachen. Auf der Erde ist dies
normalerweise genau andersherum: Die Temperatur fällt um sechs Grad
Celsius, je weiter man sich von der Oberfläche entfernt.
"Es ist schon faszinierend, wenn man sich vorstellt, dass wir mit
CRIRES die Spuren eines Gases in einer Atmosphäre messen, die etwa
100.000-mal dünner ist als die Atmosphäre der Erde und die sich auf
einem kleinen Objekt an der Grenze des Sonnensystems befindet", meint
Teammitglied Hans-Ulrich Käufi von der ESO. "Die Kombination von CRIRES
mit dem VLT ist fast so gut wie eine Satellit zur Erforschung der
Atmosphäre im Orbit um Pluto."
Das ist natürlich leicht übertrieben, doch gewiss ist, dass für viele
Jahre solche Beobachtungen mit erdgebundenen Teleskopen die einzige
Möglichkeit bleiben werden, mehr über die Welten am Rande des
Sonnensystem zu erfahren. Viele Wissenschaftler warten zudem gespannt
auf die Daten der NASA-Sonde New Horizons, die Mitte des kommenden Jahrzehnts
an Pluto vorüberfliegen wird. Von ihr erhoffen sich die Forscher
beispielsweise neue Erkenntnisse über die chemische Zusammensetzung der
Plutoatmosphäre.
Eine
ungefähre Vorstellung über die Vorgänge auf dem Zwergplaneten haben die
Astronomen aber schon jetzt: Die kalte Oberfläche des Pluto, so die
Theorie der Wissenschaftler, hängt mit der Existenz der Atmosphäre
zusammen. Wenn Oberflächeneis sublimiert, also gleich in seinen
gasförmigen Zustand übergeht, wird die Oberfläche gleichzeitig gekühlt.
Das ist in etwa vergleichbar mit Schwitzen, durch das unser Körper ja
auch gekühlt wird.
In dieser Hinsicht scheint Pluto mehr einem Kometen zu gleichen,
deren Schweif ja auch durch sublimierendes Eis entsteht, wenn sie sich
der Sonne nähern. In der Plutoatmosphäre scheint zudem Methan deutlich
häufiger zu sein als zunächst gedacht: "Wir konnten zeigen, dass diese
Menge an Methan eine wichtige Rolle für die Erwärmung der Atmosphäre
spielt und sich diese durch den Methananteil gut erklären lässt", so
Lellouch.
Dabei kommen nach Ansicht der Wissenschaftler zwei verschiedene
Modelle in Frage: Entweder ist die Oberfläche des Pluto von einer dünnen
Methanschicht überzogen, die das Sublimieren von Stickstofffrost
verhindert oder es befinden sich auf der Oberfläche Bereiche aus reinem
Methan. Welches Szenario zutrifft, müssen weitere Beobachtungen zeigen -
oder aber ein echter Satellit in Form der Sonde New Horizons.
|