Galaxien von Staub befreit
Redaktion /
Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
16. Mai 2008
Wie viel Strahlung wir von einer Galaxie empfangen, hängt
entscheidend von der Menge an Staub ab, der sich in der Galaxie befindet. Mithilfe eines Modells zur Staubverteilung in Galaxien konnten Astronomen nun
zeigen, dass etwa die Hälfte des Lichts der Sterne von Staub verschluckt wird.
Manches könnte also deutlich heller strahlen, als bislang angenommen.
Blick auf die Kante: Bei der Galaxie NGC 891
beobachten die Astronomen den Licht-schluckenden
Effekt des Staubs besonders deutlich.
Bild: C. Howk (JHU), B. Savage
(U. Wisconsin), N. A. Sharp (NOAO)/ WIYN / NOAO
/ NSF |
Wer in einer klaren Nacht zum Himmel aufblickt, sieht Tausende von funkelnden
Fusionsreaktoren: die Sterne. Auf das Universum hochgerechnet, erzeugen diese
Gasbälle eine unvorstellbare Energie. In einem Würfel von lediglich einem
Lichtjahr Kantenlänge sind das jährlich 40 Billiarden Kilowattstunden - etwa
300-mal soviel, wie die Menschheit im selben Zeitraum verbraucht.
Auf der Erde jedoch nehmen wir nur etwa die Hälfte des Sternenlichts wahr,
das im heutigen Universum erzeugt wird. Die andere Hälfte wird von Staubkörnchen
verschluckt, die sich zwischen den Sternen im Weltraum befinden. Zu diesem
Ergebnis sind nun Forscher, unter anderem aus dem Max-Planck-Institut für
Kernphysik, gekommen. Mit ihrem Modell lässt sich die Staubverteilung innerhalb
von Galaxien berechnen - mit Konsequenzen für unser Bild von Geburt und
Entwicklung der Sternsysteme. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre
Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift The Astrophysical
Journal.
Galaxien bestehen aus Milliarden Sternen, die durch die Schwerkraft
aneinander gebunden sind. Auch unsere Sonne ist einer von etwa 200 Milliarden
Sternen innerhalb eines Systems namens Milchstraße, das einem gigantischen
Feuerrad gleicht. Unter den Sternen gibt es kaum Einzelgänger, fast alle stecken
sie in Galaxien. Will man den Energieausstoß im Universum bestimmen, muss man
also die Strahlung der Galaxien untersuchen, einzelne Sterne lassen sich
angesichts der "astronomischen" Entfernungen ohnehin kaum beobachten.
Nun enthalten Galaxien aber nicht nur Sterne, sondern auch Gas und Staub. Vor
allem der Staub verschluckt einen Teil der Sternstrahlung, ähnlich wie etwa
Rauch in unserer Atmosphäre die Sonnenstrahlung schwächt. Da keine Energie
verloren gehen kann, erwärmen sich die interstellaren Staubkörnchen so weit, bis
die von ihnen selbst abgegebene Wärmestrahlung im Gleichgewicht mit der
aufgenommenen Strahlung steht. Dieses Strahlungsgleichgewicht gilt im Übrigen
nicht nur für Staub zwischen den Sternen, sondern auch für jeden Himmelskörper.
Auf der Erde etwa bestimmt es im Zusammenspiel mit dem atmosphärischen
Treibhauseffekt die globale Temperatur.
Wie aber sind die Staubteilchen innerhalb von Galaxien verteilt? Dazu
erarbeiteten Cristina Popescu von der University of Central Lancashire
in Großbritannien und Richard Tuffs vom Heidelberger Max-Planck-Institut für
Kernphysik ein Modell. Es beschreibt die Häufigkeit des Staubs in den einzelnen
"Bausteinen" einer Galaxie, also im Kern und in der Scheibe, sowie dessen
Einfluss auf die Strahlung aus diesen Bereichen. Außerdem berücksichtigen die
Rechnungen den Einfluss des Winkels, unter dem eine Galaxie von der Erde aus
erscheint. Denn während wir manche Sternsysteme von der Kante sehen, blicken wir
bei anderen senkrecht auf die Scheibe.
Um das Modell an der Natur zu testen, berechneten die Wissenschaftler die
Energiedifferenz zwischen der tatsächlich gemessenen und der nach ihrem Modell
korrigierten Strahlung der Sterne innerhalb von mehr als 10.000 näher gelegenen
Galaxien. In der Tat entsprach diese Differenz genau jener Energie, die der
erwärmte Staub in Form längerwelliger Strahlung aussendet.
"Die Gleichung ging perfekt auf und so verstehen wir jetzt den Energieausstoß
der Galaxien und damit des Universums über einen großen Wellenlängenbereich",
sagt Cristina Popescu. Und Richard Tuffs ergänzt: "Die Ergebnisse zeigen sehr
deutlich, dass interstellare Staubkörnchen einen erheblichen Effekt auf unsere
Messungen des Energieausstoßes selbst nahe gelegener Galaxien zeitigen." So hat
das Modell die Feuerprobe bestanden und erlaubt es den Astronomen, exakt zu
berechnen, wie hoch der Anteil des vom Staub abgeblockten Sternlichts ist.
Die Forscher haben damit ein seit langem ungeklärtes Paradox gelöst: Die
Energie aus der Wärmestrahlung des Staubs schien bisweilen den gesamten
Energieausstoß der Sterne zu übersteigen. "Sie können aber nicht mehr Energie
herausbekommen, als Sie hineinstecken. Somit wussten wir, dass da etwas gehörig
nicht stimmte", sagt Teamleiter Simon Driver von der britischen University
of St. Andrews. In Wirklichkeit geht eben wesentlich mehr Energie der
Sterne "in Staub auf" als bisher vermutet: Die Energiebilanz des Universums
erweist sich nunmehr als ausgeglichen.
"Die größten Auswirkungen haben unsere Ergebnisse auf die Messungen der
zentralen Regionen von Galaxien, in denen sich supermassereiche Schwarze Löcher
verbergen", sagt Alister Graham von der australischen Swinburne University
of Technology. Denn die Galaxienkerne strahlen in Wahrheit bis zu fünfmal
heller als beobachtet. Das bedeutet: Nach dem Modell von Popescu und Tuffs muss
entsprechend mehr Sternmasse in den Kernen verborgen sein. Daraus ergeben sich
auch Konsequenzen für unser Bild von Entstehung und Entwicklung der
Sternsysteme.
In naher Zukunft wollen sich die Forscher vor allem einzelnen Galaxien widmen
und dabei zwei neue Instrumente einsetzen, die demnächst in Betrieb gehen: Das
VISTA-Teleskop in Chile und den Infrarotsatelliten Herschel, der Ende Juli
starten soll: "VISTA erlaubt uns, geradewegs durch den Staub zu blicken, während
Herschel direkt die Staubstrahlung nachweisen wird", erläutert Jochen Liske von
der Europäischen Südsternwarte.
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