Jüngste Supernova
der Milchstraße entdeckt
von Stefan Deiters astronews.com
15. Mai 2008
Astronomen haben jetzt die bislang jüngste Supernova in der
Milchstraße aufgespürt. Die Explosion wäre vermutlich vor gerade einmal 140
Jahren von der Erde aus zu beobachten gewesen und ist damit deutlich jüngeren
Datums als die Supernova, die um 1680 für den Überrest Cassiopeia A sorgte. Die
Entdeckung gelang durch das Studium der Ausdehnung der Explosionswolke.
Dieses Bild fasst Chandras Röntgenbeobachtungen
(orange) von G1.9+0.3 und die VLA-Radiodaten aus dem Jahr
1985 (blau) zusammen. Die Ausdehnung des
Überrests ist deutlich zu erkennen und wurde
durch aktuelle VLA-Beobachtungen in diesem Jahr
bestätigt.
Bild: NASA /CXC / NCSU / S.Reynolds et al. (Chandra); NSF / NRAO / VLA / Cambridge / D.Green
et al. (VLA) [Großansicht] |
Nimmt man die Zeitpunkte auf der Erde als Maßstab, zu denen man
die jeweiligen Supernova-Explosionen hätte beobachten können, galt bislang
die Supernova von 1680 als "jüngstes" Objekt dieser Art in der Milchstraße. Sie
sorgte für den schon häufig beobachteten Supernova-Überrest Cassiopeia A. Jetzt
gelang es Astronomen aber mithilfe des NASA-Röntgenteleskops Chandra eine
Supernova aufzuspüren, die vor nur 140 Jahren auf der Erde zu sehen gewesen
wäre. Beobachtet hat man diese Sternenexplosion im vorvergangenen Jahrhundert
allerdings nicht, da sich die Supernova nahe des galaktischen Zentrums
ereignete, das im sichtbaren Bereich des Lichtes nicht zu beobachten ist.
Allerdings lässt sich im Röntgen- und Radiobereich durch den Staub und das
Gas hindurchsehen, das im optischen Bereich eine Beobachtung verhindert. Und so
zeigt sich der Supernova-Überrest aus dem 19. Jahrhundert nun auf
Bildern des NASA Röntgenteleskops Chandra. "Wir können einige
Supernova-Explosionen mit optischen Teleskopen durch das halbe Universum
beobachten, aber wenn sie so verborgen sind, übersehen wir sie schon mal in
unserer eigenen Galaxie", erläutert Stephen Reynolds von der North Carolina
State University, der die Chandra-Beobachtungen leitete. "Glücklicherweise
leuchtet die sich durch die Explosion ausbreitende Wolke aus Gas sehr hell im
Radio- und Röntgenbereich für Tausende von Jahren, so dass wir mit
entsprechenden Teleskopen herausfinden können, was wir übersehen haben."
Durch Beobachtungen von Supernova-Explosionen in anderen Galaxien schätzen
Astronomen, dass sich in unserer Milchstraße etwa drei Supernovae pro Jahrhundert
ereignen sollten, wobei diese Zahl noch mit großen Fehlern behaftet ist. "Wenn
diese Zahl aber korrekt ist, sollte es in der Milchstraße etwa zehn
Supernova-Überreste geben, die jünger sind als Cassiopeia A", so David Green von
der University of Cambridge in Großbritannien, der die Radiobeobachtungen mit
dem Very Large Array (VLA) leitete. "Es ist schon schön, jetzt zumindest eine davon
entdeckt zu haben."
Die Entdeckungsgeschichte dieser jüngsten Supernova beginnt bereits im Jahr
1985 als ein von Green geleitetes Astronomenteam bei Radiobeobachtungen mit dem
VLA das Objekt G1.9+0.3 als den Überrest einer Supernova in der Nähe des
galaktischen Zentrums identifizierte. Anhand der Größe schätzten die Astronomen
damals, dass sich die entsprechende Supernova vor 400 bis 1.000 Jahren ereignet
haben muss.
Beobachtungen mit dem Röntgenteleskop Chandra zeigten dann 22 Jahre später,
dass der Überrest sich seit der ersten Beobachtung um 16 Prozent vergrößert hat
- ein für die Astronomen überraschend großer Wert. Daraus folgt, dass der
Überrest erheblich jünger sein muss als zunächst angenommen. Dieser Verdacht
bestätigte sich durch erneute Beobachtungen mit dem VLA: Das Alter der Supernova
wird nun auf 140 Jahre geschätzt. Es würde sich sogar ein noch geringeres Alter
ergeben, wenn sich die Ausdehnungsgeschwindigkeit inzwischen verringert hätte. Auf jeden Fall
handelt es sich bei G1.9+0.3 um die jüngste bislang bekannte Supernova.
Die Entdeckung dieser so jungen Supernova ist für die Forscher ein wichtiger
erster Schritt, um die Häufigkeit von Supernova-Explosionen in der Milchstraße
besser abschätzen zu können. Dies ist vor allem deswegen interessant, weil durch
Supernovae sowohl Energie, als auch große Mengen von Gas und schweren Elementen
in der Galaxie verteilt werden und dadurch neue Phasen von Sternentstehung
angeregt werden können. Sie könnten zudem stellare Schwarze Löcher oder
Neutronensterne hinterlassen.
G1.9+0.3 ist aber nicht nur die bislang jüngste Supernova, sondern verfügt
auch noch über andere Besonderheiten: So dürften beispielsweise ihre hohe
Expansionsgeschwindigkeit und ihre hochenergetischen Teilchen dafür sorgen, dass
bald noch weitere Beobachtungen mit Chandra und dem VLA durchgeführt werden.
"Kein anderes Objekt in unserer Galaxie hat solche Eigenschaften", so Reynolds.
"Der Fund von G1.3+0.3 ist extrem wichtig, um mehr darüber zu erfahren, wie
manche Sterne explodieren und was danach passiert."
Die Untersuchung von G1.9+0.3 könnte den Astronomen auch mehr über die
Umgebung verraten, in der sich die Explosion ereignet hat. Das Objekt liegt nur
wenige Tausend Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt. Das Sonnensystem
umrundet das Zentrum der Milchstraße in einer Entfernung von etwa 26.000
Lichtjahren.
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