Details aus dem Grand Canyon des Mars
Redaktion /
DLR-Pressemitteilung astronews.com
28. März 2008
Neue jetzt vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) veröffentlichte Aufnahmen der hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der
europäischen Sonde Mars Express gewähren einen eindrucksvollen Blick in
den "Grand Canyon des Mars". Sie zeigen mit der Hebes Chasma ein bis zu
acht Kilometer tiefen Kessel im nördlichen Teil der Valles Marineris.
Farb-Draufsicht
auf die Region Hebes Chasma. Hebes Chasma ist
ein rundum abgeschlossener und bis zu acht
Kilometer tiefer Kessel ohne Abfluss im
nördlichsten Teil der Valles Marineris.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum) [Vergrößerte
Gesamtansicht] |
Hebes Chasma ist ein rundum abgeschlossener und bis zu acht
Kilometer tiefer Kessel ohne Abfluss im nördlichsten Teil der Valles Marineris,
einem mehr als 3.000 Kilometer langen Grabenbruch am Marsäquator. Dieses
Canyonsystem gilt als "Grand Canyon des Mars". Im Zentrum von Hebes Chasma
befindet sich ein mehr als 7000 Meter hoher Berg, dessen auffälligstes Merkmal
sein Aufbau aus übereinander lagernden Gesteinsschichten ist. Die Schichten
wurden an den Flanken des Berges von den abtragenden Kräften der Erosion
herausgebildet und sind deutlich zu erkennen.
Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene
hochauflösende Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express
nahm diesen Teil von Hebes Chasma am 16. September 2005 während des Orbits 2.149
aus einer Höhe von 300 Kilometern auf. Die Auflösung beträgt etwa 15 Meter pro
Bildpunkt (Pixel).
Das Canyonsystem der Valles Marineris – und mit ihm Hebes Chasma – gehört zu
einem radial verlaufenden Grabenbruchsystem rund um Tharsis, einer Region von
etwa viertausend Kilometern Durchmesser. Dort wurde die Oberfläche bis zu vier
Kilometer hoch aufgewölbt und weist an vielen Stellen infolge der immensen
Spannungen in der Marskruste Dehnungsstrukturen auf. Die Abbildungen zeigen
einen Ausschnitt von Hebes Chasma bei 1 Grad südlicher Breite und 282 Grad
östlicher Länge.
Ähnliche geschichtete Ablagerungen (im Englischen als "Interior Layered
Deposits" bezeichnet) befinden sich auch in anderen Trögen der Valles Marineris.
Ihre Entstehung ist trotz zunehmend besserer Bildqualität auch mehr als drei
Jahrzehnte nach ihrer Entdeckung unbekannt. Unter den möglichen
Bildungsprozessen kommt die Ablagerung von Sedimenten in einem stehenden
Gewässer in Frage - oder die Abscheidung von Mineralen aus gesättigten
Wasserlösungen direkt an oder in der Nähe von heißen, so genannten
"hydrothermalen" Quellen – analog zu Sinterterrassen auf der Erde, wie sie
beispielsweise in der Toskana oder im türkischen Pamukkale zu sehen sind. Ferner
werden Ablagerungen durch Wind, Vulkanausbrüche unter früher dort vorhandenen
Gletschern, oder explosive vulkanische Eruptionen als Entstehungsursache in
Betracht gezogen.
Mit dem Spektrometer OMEGA (Observatoire pour la Mineralogy, l'Eau, les
Glaces et l'Activité) der Mars Express-Mission lassen sich die
Minerale bestimmen, die in diesen Schichten vorhanden sind. Diese Messungen
zeigen, dass manche der tief gelegenen Regionen von Hebes Chasma die spektralen
Merkmale von wasserhaltigen (hydratisierten) Sulfaten aufweisen, wie
beispielsweise Gips oder Kieserit. Damit sich solche Minerale bilden können,
muss Wasser als Lösungsmittel gegenwärtig sein.
Welches Szenario auch immer für die Bildung der geschichteten Ablagerungen
verantwortlich war: Wasser muss irgendwann zumindest in begrenzter Menge in
Hebes Chasma vorhanden gewesen sein. Zwar erreichen die Ablagerungen nahezu die
Höhe der umgebenden Ebene – dennoch ist die Ablagerung in einem hypothetischen
7.000 Meter tiefen stehenden Gewässer, einem See, nicht wahrscheinlich. Da Hebes
Chasma eine rundum geschlossene topographische Senke ohne Abfluss, vor allem
aber auch ohne Zuflüsse ist, können Forscher sich kaum vorstellen, wie ein
derartiger See mit Wasser gefüllt worden sein könnte.
Flache, von Grundwasser gespeiste salzhaltige Gewässer auf dem Boden von
Hebes Chasma sind dagegen durchaus plausibel. Ähnliche Umweltbedingungen, also
saure und salzhaltige flache Gewässer, mit einer späteren starken Überprägung
der Landschaft durch den Wind, wurden von dem NASA-Rover Opportunity in
der Ebene Meridiani Planum östlich der Valles Marineris rekonstruiert.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express
der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator
(PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Das
Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn
Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut. Sie wird vom
DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die
systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Das hier gezeigte Bild
wurde von der PI-Gruppe am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien
Universität Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung
erstellt.
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