Schwebende Metalle, Pflanzen und Fische im All
Redaktion /
DLR-Pressemitteilung astronews.com
28. Januar 2008
Am 31. Januar und 7. Februar werden zwei Forschungsraketen
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Europäischen
Weltraumorganisation (ESA) von Kiruna in Nordschweden starten. Beide
Organisationen führen hiermit erfolgreich ihre Wissenschaftsprogramme TEXUS
(Technologische Experimente unter Schwerelosigkeit) in das vierte
Jahrzehnt ihres Bestehens. An Bord sind die unterschiedlichsten Experimente.
Start einer Texus-Rakete vom Raketenstartplatz
ESRANGE, nahe der Stadt Kiruna in Nordschweden.
Bild: DLR |
Während des parabelförmigen unbemannten Fluges in eine Höhe von maximal 270
Kilometern herrscht für etwa sechs Minuten Schwerelosigkeit. Diese nutzen die
Wissenschaftler aus deutschen Universitäten und der Industrie zur Beantwortung
von biologischen, materialwissenschaftlichen und physikalischen Fragen.
Insgesamt sechs der geplanten Experimente werden von deutschen Wissenschaftlern
geleitet. Mittels Datenübertragung vom Boden aus werden diese Versuche überwacht
und bei Bedarf von den Wissenschaftlern über Telekommando direkt gesteuert. Die
in einer zylindrischen, rund drei Meter langen Leichtmetall-Struktur
untergebrachten Geräte landen etwa 20 Minuten nach dem Start an einem
Fallschirm.
Hauptnutzlast der Mission TEXUS-44 am 31. Januar ist die
elektromagnetische Levitationsanlage (EML), eine Vorrichtung zum Schmelzen von
Metallproben im schwebenden Zustand. Mit ihr erforschen Wissenschaftler des DLR
in Köln und der Universität Ulm in drei Experimenten thermophysikalische
Eigenschaften von Metalllegierungen (astronews.com berichtete). Diese
Erkenntnisse sind insbesondere für die Optimierung industrieller Gießprozesse
wichtig.
In der Schwerelosigkeit sind in der Levitationsanlage wesentlich genauere
Messungen möglich als in irdischen Labors, da die notwendigen
elektromagnetischen Haltekräfte zum gezielten Schweben der Probe äußerst gering
sind. Störende Strömungen in der flüssigen Metallprobe werden dadurch wesentlich
reduziert. Die Forscher gewinnen somit hochpräzise Daten, die für realitätsnahe
Computersimulationen wichtig sind und bei modernen Herstellungsverfahren immer
mehr an Bedeutung gewinnen.
Ein weiteres Experiment wird von der DLR Raumfahrt-Agentur gefördert und von der
Universität Bonn durchgeführt. Dabei messen Biologen die Schwerkraftwahrnehmung
von Pflanzen. Spezielle Zellen in der Wurzelspitze lösen, wenn sich die Richtung
der Schwerkraft ändert, bestimmte biochemische Prozesse aus. Dies führt wiederum
zu einer kontrollierten Wachstumsreaktion der Wurzel. Im Experiment wird
insbesondere die frühe Reizverarbeitung und Signalweiterleitung auf molekularer
Ebene am Beispiel der Ackerschmalwand-Pflanze (Arabidopsis thaliana) und von
Maispflanzen untersucht.
Auf dem TEXUS-Flug 45 am 7. Februar werden auch Fische einen Ausflug
ins All unternehmen. Unter Schwerelosigkeit leiden Menschen oft an einer
Bewegungskrankheit, der so genannten Kinetose, die der Seekrankheit ähnelt. Die
Gründe für Kinetosen liegen in der Art begründet, wie der Körper Schwerkraft
wahrnimmt. Dies geschieht bei Menschen und Wirbeltieren durch kleine
Schweresteinchen, die Otolithen. Sie befinden sich im Innenohr und dienen als
zentraler Bestandteil der Schwerkraftsensoren. Die Otolithen bestehen im
Wesentlichen aus Kalk.
Die Mineralisation der Otolithen wird vom Gehirn gesteuert und ist individuell
unterschiedlich effektiv. Dadurch kann es passieren, dass diese
Innenohrstrukturen asymmetrisch aufgebaut werden. An Buntbarschen im
Larvenstadium – als Modellsystem für Wirbeltiere – konnten Wissenschaftler im
Rahmen früherer Experimente herausfinden, dass die Anfälligkeit für Kinetosen
von der unterschiedlichen Mineralisierung von Schweresteinen im Innenohr
abhängt. Im Experiment möchten die Forscher der Universität Stuttgart-Hohenheim
bestimmen, inwieweit die in den einzelnen Fischen unterschiedlich verlaufende
Otolithen-Mineralisierung ihre jeweilige Anpassung an die Schwerelosigkeit
beeinflusst.
Bei vielen technischen Verfahren werden Flüssigkeiten auf heiße Wände gesprüht.
Dies geschieht beispielsweise bei der Kraftstoffverbrennung, der Metallerzeugung
oder beim chemischen Kühlen menschlichen Gewebes. Ziel eines Experimentes der
Technischen Universität Darmstadt ist es, die Hydrodynamik und die
Wärmeübertragung beim Sprayaufprall auf eine beheizte Oberfläche genauer zu
verstehen und dadurch die Auslegungsmethoden von Spraykühlungsprozessen zu
verbessern.
In einem dritten Versuch auf TEXUS-45 beschäftigen sich Wissenschaftler
des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der
Universität Bremen gemeinsam mit ihren Kollegen vom Institut de Mécanique
des Fluides aus Toulouse mit den Zwei-Phasen-Strömungen in Kapillarkanälen.
Die Ergebnisse dieses Experimentes tragen zur Beantwortung grundlegender Fragen
der Strömungsmechanik bei. Ganz konkret wollen die Forscher mehr über die
Flüssigkeitshandhabung unter Schwerelosigkeit wissen, um etwa die
Treibstoffförderung in den Tanks von Raumfahrzeugen und Satelliten zu
verbessern.
Mit den Startvorbereitungen und der Durchführung von TEXUS haben DLR
und ESA die Firma EADS Astrium in Bremen beauftragt. Weiterhin
beteiligt sind die Firma Kayser-Threde in München und die mobile
Raketenbasis (MORABA) des DLR in Oberpfaffenhofen. Für den Flug selbst stehen
zwei Raketen des Typs VSB-30 zur Verfügung. Sie wurde gemeinsam von den
brasilianischen Raumfahrtorganisationen CTA (Centro Técnico Aerospacial)
und IAE (Instituto de Aeronáutica e Espaço), dem DLR sowie der
schwedischen Raumfahrtorganisation SSC (Swedish Space Corporation)
entwickelt.
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