Grüße von entfernten Schwarzen Löchern
Redaktion /
idw / KIT / Pressemitteilung der Pierre Auger Collaboration astronews.com
12. November 2007
Seit Jahrzehnten fragen sich Astronomen, woher die äußerst
energiereichen Teilchen stammen, die man immer wieder auf der Erde registrieren
kann. Ein riesiges Observatorium in der Pampa Argentiniens sollte auch diese
Frage klären und könnte jetzt einen ersten entscheidenden Hinweis geliefert
haben: Die fraglichen Teilchen scheinen alle von außerhalb der Milchstraße aus
den Zentren aktiver Galaxien zu kommen.
Teilchendetektor
in der Pampa: ein Tank von zwölf Kubikmetern
Reinstwasser ist mit Lichtsensoren ausgestattet,
die das schwache so genannte Cherenkov-Licht
registrieren, das energiereiche Teilchen beim
Durchqueren des Wassers aussenden. Jeder Tank
arbeitet autonom mit Solarstromversorgung,
GPS-Empfänger zur Zeitsynchronisation und
Datenfunk zur Zentralstation. Im Hintergrund ist
das Teleskopgebäude LEONES zu sehen.
Foto: Pierre
Auger Collaboration / idw |
Ein fast hundert Jahre altes Problem ist der Lösung nahe: Das
Pierre Auger-Observatorium in Argentinien entdeckt in den Ankunftsrichtungen von
sehr energiereichen Teilchen aus dem Weltraum das Abbild der Verteilung von so
genannten Aktiven Galaxienkernen am Himmel. Der Weg dieser Teilchen weist aus
unserer Milchstraße hinaus zu fernen Galaxien, in denen vermutlich aktive
Schwarze Löcher die Quelle für die extremen Teilchenenergien sind, über die sich
die Physiker und Astronomen seit Jahrzehnten wundern.
In der argentinischen Pampa Amarilla, 1.000 Kilometer westlich von Buenos
Aires in der Provinz Mendoza, entsteht mit dem Pierre Auger-Observatorium das
größte Messfeld der Welt zur Untersuchung der kosmischen Strahlung
(astronews.com berichtete). Hier werden die energiereichsten Teilchen
untersucht, die im Universum zu finden sind. Ihre Energien sind hunderte
Millionen mal höher, als sie in den größten irdischen Teilchenbeschleunigern
erzeugt werden können. Dafür sind sie extrem selten: nur einige Dutzend solcher
Ereignisse konnten seit ersten Pionierexperimenten in den 1960er Jahren gemessen
werden.
Die geringe Intensität von weniger als einem Teilchen pro Quadratkilometer
und Jahrhundert zwang die Forscher dazu, eine riesige Fläche mit Detektoren
auszustatten. Dabei nutzen sie die Entdeckung des Namensgebers Pierre Auger aus
dem Jahr 1938: Die kosmischen Teilchen kollidieren in großer Höhe mit den
Atomkernen der Luft und erzeugen (nach Einsteins Formel E=mc2)
Milliarden von neuen Teilchen, die wie ein kurzzeitiger Schauer mit
Lichtgeschwindigkeit auf den Erdboden treffen und eine Fläche von mehreren zehn
Quadratkilometern bedecken können. Das Auger-Observatorium registriert solche
kosmischen Teilchenschauer mit einem Netzwerk von 1.600 Teilchendetektoren, die
im Abstand von 1,5 Kilometern in der flachen Pampa auf 3.000 Quadratkilometern
aufgestellt sind.
Ein besonders leistungsfähiges Instrument, das unter Federführung der
deutschen Auger-Gruppen entwickelt und gebaut wurde, sind die 24 elektronischen
Teleskope, die in klaren dunklen Nächten aus der schwachen Leuchtspur der
Teilchen in der Luft ein optisches Abbild aufzeichnen. Daraus lassen sich die
Energie und Richtung der Teilchen viel genauer bestimmen als es bisher möglich
war. Des Weiteren können die Forscher Informationen darüber gewinnen, um welches
ursprüngliche Teilchen es sich gehandelt hat.
Die Himmelskarten über die Herkunftsrichtung kosmischer Teilchen waren bisher
strukturlos mit den Richtungen von Teilchen niedriger Energie gefüllt, bzw.
nahezu leer mangels Daten bei hohen Teilchenenergien. Gerade aber die Energie
spielt eine Schlüsselrolle bei der Rückverfolgung der Teilchen, da die
hochenergetischen Teilchen zumeist nur wenig von den Magnetfeldern im Kosmos
abgelenkt werden. Es ist darüber hinaus bis heute nicht geklärt, wie die
Teilchen die extrem hohen Energien überhaupt erreichen können - es geht hier
immerhin etwa um die Energie eines hart geschlagenen Tennisballs, die sich in
einem einzigen Elementarteilchen oder Atomkern befindet.
Die etwa 300 am Auger-Observatorium beteiligten Physiker und Ingenieure
analysieren laufend die Daten, die das ständig wachsende Detektorsystem seit
Januar 2004 liefert. Die erste Ausbaustufe auf der Südhalbkugel in Argentinien
wird in wenigen Monaten erreicht sein, aber eine Überraschung lieferten die
Daten schon jetzt: Es gibt offenbar ein deutliches Muster in den Richtungen der
Teilchen. Die Himmelskarte der Auger-Teilchen zeigt, dass sie nicht gleichmäßig
aus allen Richtungen kommen, sondern einen Zusammenhang mit mutmaßlichen
Schwarzen Löchern aufweisen, die sich im Zentrum so genannter Aktiver Galaxien
befinden.
Schwarze Löcher werden in den Zentren der meisten Galaxien vermutet, auch in
unserer Milchstraße. Während sich die meisten von ihnen "ruhig" verhalten,
herrschen in etwa einem Prozent der Galaxienkerne extreme Bedingungen. Riesige
Materiemengen stürzen in das zentrale Schwarze Loch, wobei ein Teil der frei
werdenden Energie in einen Strahl von Gas, Teilchen und Strahlung umgesetzt
wird, der sich teilweise über Millionen von Lichtjahren entlang der
Rotationsachse der Galaxie ausbreitet. "Wir haben einen großen Schritt gemacht,
um das Rätsel der energiereichsten kosmischen Strahlung zu lösen", sagt
Nobelpreisträger James Cronin aus Chicago, der das Auger-Projekt mit dem
Engländer Alan Watson Anfang der neunziger Jahre maßgeblich konzipierte.
"Wir beginnen zu verstehen, was für unglaubliche Prozesse in der Nähe
Schwarzer Löcher ablaufen, und wie sich die Teilchen durch kosmische
Magnetfelder ausbreiten", freut sich auch Peter Biermann vom Max Planck-Institut
für Radioastronomie Bonn, der seit vielen Jahren theoretische Untersuchungen zu
dem Thema durchführt. "Der deutsche Beitrag zum Pierre Auger-Observatorium und
zu diesem Resultat ist enorm", stellt Johannes Blümer vom Forschungszentrum
Karlsruhe und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) fest. "Das
Observatorium in Mendoza zu bauen ist eine phantastische internationale
Leistung. Die heute veröffentlichten Resultate bedeuten, dass wir auf dem
richtigen Weg sind und den gesamten Himmel sozusagen im Lichte der
energiereichsten Teilchen beobachten müssen."
Die beteiligten Wissenschaftler beschäftigen sich daher bereits mit den
Planungen eines noch größeren Observatoriums auf der Nordhalbkugel. Als Standort
hierfür ist Colorado in den USA vorgesehen. Das Auger-Ergebnis ist auch für
andere Großprojekte der Astroteilchenphysik wichtig. "Das Auger-Ergebnis
bedeutet auch, dass Aktive Galaxien energiereiche Neutrinos entsenden, die wir
vermutlich schon in ein paar Jahren mit dem IceCube-Detektor im Eis der
Antarktis beobachten können," meint etwa Christian Spiering vom DESY in Hamburg.
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