Winde beeinflussen Galaxienentwicklung
von Stefan Deiters astronews.com
5. November 2007
Supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien
erzeugen in ihrer unmittelbaren Umgebung heftige Winde, die ihre eigene
Entwicklung und auch die ihrer Muttergalaxie entscheidend beeinflussen können.
Die Winde, so vermuteten Astronomen schon lange, haben ihren Ursprung in der sogenannten Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch. Jetzt konnte diese These erstmals durch
Beobachtungen belegt werden.
Rund um das Schwarze Loch bildet sich eine
Akkretionsscheibe aus (mehrfarbig), die Winde
werden senkrecht dazu ins All geblasen (rot).
Bild: NASA / CXC / M. Weiss |
Astronomen des Rochester Institute of Technology gelang es nun
nachzuweisen, dass die von einem supermassereichen Schwarzen Loch ausgehenden
Winde aus der Akkretionsscheibe des Schwarzen Loches stammen und auch deren Drehung übernehmen. Eine Akkretionsscheibe ist
eine rotierende Scheibe aus Gas und Staub um ein Schwarzes Loch. Hier sammelt
sich Material, bevor es endgültig ins Schwarze Loch stürzt - oder aber als Wind
wieder ins All geblasen wird. Aus dem Bereich dieser Scheibe stammt auch die
intensive Strahlung, die man von aktiven Schwarzen Löchern beobachtet. Die
Wissenschaftler berichteten über ihre Entdeckung in der aktuellen Ausgabe der
Wissenschaftszeitschrift Nature.
"Das Gas, das in einen Quasar, also in ein aktives Schwarzes Loch, aus der
Galaxie einfließt, füttert quasi den Quasar", erläutert Andrew Robinson,
Professor für Physik am Rochester Institute of Technology und Leiter
der Studie. "Das Gas, das wieder aus dem Quasar geblasen wird, reguliert das
Wachstum des Schwarzen Lochs und die Entstehung der Galaxie."
Die Wissenschaftler beobachteten für ihre Untersuchung die Winde, die aus dem
Quasar PG 1700+518 kommen, der rund drei Milliarden Lichtjahre von uns entfernt
ist. Sie nutzten dazu das William Herschel Telescope auf der
Kanareninsel La Palma. Schon früher gab es Indizien dafür, dass diese Winde in
der frühen, aktiven Phase einer Galaxie eine entscheidende Rolle spielen können.
Das Schwarze Loch im Zentrum verschlingt in dieser Zeit mit einer so hohen Rate
Material, dass es heller erscheint, als der gesamte Rest der Galaxie, die dadurch
regelrecht überstrahlt wird.
"Lange Zeit nahm man an, dass diese Winde von der Akkretionsscheibe ausgehen,
allerdings basierte diese Annahme bis jetzt lediglich auf theoretischen
Überlegungen", erläutert Professor David Axon, Chef der Physik am Rochester
Institute of Technology. Die neuen Beobachtungen der Astronomen zeigten nun,
dass sich die Winde im Falle von PG 1700+518 tatsächlich vertikal von der
Scheibe entfernen, sich dabei aber mit einer Geschwindigkeit drehen, die der der Akkretionsscheibe sehr ähnlich ist. Das werten die Forscher als direkten Beweis
dafür, dass die Winde tatsächlich von der Akkretionsscheibe ausgehen.
Die Beobachtung hilft den Wissenschaftlern auch, die bislang ungeklärte Frage zu
beantworten, was mit dem Drehimpuls der Scheibe passiert, wenn Material
schließlich in das Schwarze Loch fällt. Fände sich kein Weg, den Drehimpuls in
der Scheibe loszuwerden, sollte das Gas stabil um das Schwarze Loch kreisen -
genauso, wie die Erde um die Sonne.
"Wenn man den Drehimpuls nicht irgendwie los wird", erläutert Stuart Young, der
als Postdoc in Rochester arbeitet, "würde alles zum Erliegen kommen und
der Quasar quasi abgeschaltet. Unsere Arbeit deutet nun darauf hin, dass sich
die Akkretionsscheibe von Teilen des überschüssigen Drehimpulses durch
rotierende Winde entledigt und dadurch erst das Wachsen des Schwarzen Lochs
und damit auch den Quasar ermöglicht."
Akkretionsscheiben von Quasaren sind zu klein, um sie direkt zu beobachten. Die
Astronomen untersuchten deswegen die Polarisation des Lichts, das sie vom Quasar
auffingen und folgerten daraus auf die Struktur des fernen Objekts. Durch dieses
Verfahren haben Wissenschaftler in den vergangenen Jahrzehnten schon jede Menge
über entfernte Quasare gelernt: So stellten sie beispielsweise fest, dass es
nicht - wie ursprünglich gedacht - verschiedene Typen von aktiven Galaxien gibt,
sondern wir lediglich den immer gleichen Typ aus unterschiedlichen Blickwinkeln
betrachten.
|