Von der Riesengalaxie zum Zwerg
von Stefan
Deiters
astronews.com
13. März 2007
23 Jahre lang glaubte man, dass es sich bei den Galaxien NGC
5011 B und C um ein echtes Pärchen handelte, doch neue Beobachtungen sprechen
eindeutig dagegen: NGC 5011B ist danach rund zwölf Mal weiter von uns entfernt
als NGC 5011C. Letztere schrumpft dadurch von einer gewaltigen Riesengalaxie zu
einer recht gewöhnlichen Zwerggalaxie.
Die beiden Galaxien NGC 5011 B (oberhalb der
Mitte) und C (unterhalb der Mitte, bläulich). Foto:
ESO [Großansicht] |
Die Galaxie NGC 5011 C liegt im Sternbild Zentaur und in einer Region,
in der sich sowohl die Centaurus A-Galaxiengruppe als auch der
Centaurus-Galaxienhaufen befindet. Die Galaxiengruppe liegt rund 13 Millionen
Lichtjahre von uns entfernt, die Distanz des Haufens ist zwölf Mal größer. Von
ihrer Erscheinung her ähnelt NGC 5011C den lokalen Zwerggalaxien: Sie hat keine
besonders hohe Sternendichte und verfügt auch nicht über irgendwelche
auffälligen Strukturen. Allerdings gehört NGC 5011C, so zumindest die
Fachliteratur, zum weit entfernten Centaurus-Galaxienhaufen und ist damit ein
direkter Nachbar der linsenförmigen Galaxie NGC 5011B.
"Und genau das bereitet Probleme", erläutert Ivo Saviane von der Europäischen
Südsternwarte ESO, der das Galaxienpaar zusammen mit seinem Kollegen Helmut
Jerjen vom australischen Mt. Stromlo Observatory beobachtete. "Haben die
beiden Galaxien die gleiche Entfernung von uns, würde das nämlich bedeuten, dass
sie nur 45.000 Lichtjahre voneinander entfernt wären. Das ist nur die Hälfte der
Ausdehnung unserer Milchstraße. Trotzdem findet man keinerlei Hinweise auf eine
gegenseitige Beeinflussung der beiden Galaxien."
Doch das war nicht die einzige Schwierigkeit, die die Entfernungsangaben in
den bisherigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen bereiteten: Wären NGC 5011C
und B tatsächlich gleich weit von uns entfernt, müsste NGC 5011C deutlich größer
sein als B, was sie zu einer Galaxie bislang unbekannten Typs machen würde.
Grund genug also, zu einer gründlichen Untersuchung des Systems.
Saviane und Jerjen haben das ESO 3,6-Meter-Teleskop im chilenischen La Silla
benutzt, um Bilder und Spektren der beiden Galaxien aufzunehmen. Die beiden
Astronomen stellten fest, dass die beiden Galaxien eine deutlich verschiedene
Rotverschiebung in ihren Spektren zeigen und sich NGC 5011C fünf Mal langsamer
von uns entfernt als NGC 5011B. Nach dem Hubble-Gesetz entfernt sich eine
Galaxie umso schneller von uns, je weiter sie entfernt ist. "Das deutet darauf
hin, dass die beiden Galaxien sehr unterschiedliche Entfernungen haben und in
keiner Weise miteinander verbunden sind", so Jerjen. "Ohne jeden Zweifel gehört
NGC 5011C zur nahegelegenen Galaxiengruppe um Centaurus A, während NGC 5011B zum
viel weiter entfernten Centaurus-Galaxienhaufen gehört."
Die Astronomen stellten zudem fest, dass die zwei Galaxien sehr
unterschiedliche Eigenschaften haben: NGC 5011B enthält beispielsweise deutlich
mehr schwere chemische Elemente als NGC 5011C. Letztere erwies sich zudem als
echte Zwerggalaxie: Sie hat nur eine Masse von rund 10 Millionen Sonnenmassen.
"Unsere Beobachtungen haben somit ein neues Mitglied der nahen Centaurus
A-Gruppe ans Licht gebracht, das für 23 Jahre wegen falscher Entfernungsangaben
unentdeckt geblieben ist", so Saviane.
NGC 5011C liegt 500.000 Lichtjahre von der die Gruppe dominierenden Galaxie
Centaurus A (NGC 5128) entfernt. Centaurus A ist die uns am nächsten gelegene
elliptische Galaxie und etwa 13 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Centaurus
A beherbergt ein gewaltiges Schwarzes Loch und ist eine starke Quelle von Radio-
und Röntgenstrahlung (astronews.com berichtete).
|