Hohe Auszeichnung für Cherenkov-Teleskope
Redaktion / MPG
astronews.com
9. März 2007
Eindrucksvolle und damit öffentlichkeitswirksame Bilder
liefern die vier H.E.S.S.-Teleskope in Namibia schon aufgrund ihrer Bauart
nicht. Die wissenschaftlichen Daten allerdings haben sich in den vergangenen
Jahren als umso wertvoller erwiesen. Diesen Sachverhalt würdigte nun auch die
europäische Kommission und zeichnete das H.E.S.S.-Projekt mit dem
Descartes-Preis aus.
Eines der vier H.E.S.S.-Teleskope bei Nacht. Foto: MPI
für Kernphysik |
Die Internationale Kooperation High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.)
hat den Descartes-Forschungspreis erhalten. Federführend bei H.E.S.S ist das
Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik. Die Bundesministerin für
Bildung und Forschung Annette Schavan verlieh am Mittwoch gemeinsam mit
EU-Forschungskommissar Janez Potočnik die mit einer Million Euro dotierte
Auszeichnung. Die Preisverleihung fand in Brüssel zum Start des 7. Europäischen
Forschungsrahmenprogramms mit dem Titel "Today is future" statt.
Das H.E.S.S-Team teilt sich den Descartes-Preis mit zwei anderen
internationalen Forschungsprojekten. Der Descartes-Preis der europäischen
Kommission ist nach dem französischen Philosophen und Mathematiker Rene
Descartes (1596 bis 1650) benannt und wird seit 2000 verliehen. Der
Forschungspreis geht an Wissenschaftlerteams, die mit grenzüberschreitenden
Projekten herausragende wissenschaftliche und technologische Ergebnisse erzielt
haben.
Schon 2006 hatte es das H.E.S.S.-Team unter die zehn Finalisten geschafft -
doch erst dieses Jahr glückte der Sprung aufs Podium. Die Erfolgsgeschichte des
H.E.S.S.-Projekts, über das astronews.com wiederholt berichtete, ist in der Tat
beeindruckend: Erst seit 2004 sind die Detektoren voll funktionstüchtig und
haben den Wissenschaftlern buchstäblich ein neues Fenster ins All eröffnet. Die
H.E.S.S.-Teleskope mit ihrem großen Gesichtsfeld - es entspricht der zehnfachen
Fläche des Mondes - sind ideal geeignet, um neue Quellen kosmischer
Gammastrahlung zu entdecken. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der
H.E.S.S.-Beobachtungen haben in wenigen Monaten zu mehr als 30 Publikationen in
Fachzeitschriften geführt, darunter viele in hochkarätigen Journalen wie
Nature oder Science.
So konnten die Forscher bereits mit den ersten Messungen das erste astronomische
Bild einer Supernova-Schockwelle bei allerhöchsten Energien aufnehmen. H.E.S.S.
identifizierte dabei erstmals die Explosionswolken von Supernovae als Quelle
hochenergetischer kosmischer Strahlung - sozusagen als gigantische kosmische
Teilchenbeschleuniger. Schon wenige Monate später hatte H.E.S.S. gleich acht
neue Quellen hochenergetischer Gammastrahlung im Zentrum der Milchstraße
gefunden - und somit die Anzahl der bis dahin bekannten Quellen nahezu
verdoppelt.
H.E.S.S.-Experimente wiesen nach, dass hochenergetische kosmische Strahlung
im Zentrum der Milchstraße intensiver ist als in der Nähe der Erde. Mögliche
Erklärung für dieses Phänomen könnte sowohl eine frühere Supernova als auch eine
massive Teilchenbeschleunigung durch das supermassive Schwarze Loch im Zentrum
unserer Galaxis sein. Im Oktober 2006 berichteten die H.E.S.S.-Wissenschaftler
über die Entdeckung schnell veränderlicher, sehr hochenergetischer
Gamma-Strahlung aus der riesigen Radiogalaxie M 87. Dies ist die bislang einzige
Radiogalaxie, aus der Gammastrahlung mit Energien nachgewiesen wurde, die jene
des sichtbaren Lichts um das Billionenfache übertreffen.
Ende 2006 identifizierte das H.E.S.S.-Teleskop erstmals eine regelmäßig
pulsierende Gammastrahlen-Quelle in der Milchstraße. Bisherige Beobachtungen
waren auf 100.000fach kleinere Energien beschränkt. Die Strahlung stammt von
einem Doppelsternsystem mit dem Katalognamen LS 5039, in dem ein kompakter
Körper (ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch) in nur vier Tagen auf einer
exzentrischen Bahn um einen blauen Riesenstern rast.
Möglich macht all diese Entdeckungen ein System aus vier Teleskopen. H.E.S.S.
wurde in den Jahren 2001 bis 2003 von einem internationalen Team aus mehr als
100 Wissenschaftlern und Ingenieuren aus Deutschland, Frankreich, England,
Irland, der Tschechei, Armenien, Südafrika und Namibia erbaut. Im September 2004
ging die Anlage offiziell in Betrieb. Mit jeweils 13 Meter Durchmesser sind die
H.E.S.S.-Teleskope die derzeit empfindlichsten Nachweisinstrumente für
hochenergetische Gammastrahlen, die sich nur schwer nachweisen lassen; selbst
eine starke Quelle sendet lediglich ein Strahlungsquant pro Monat und
Quadratmeter in unsere Atmosphäre, wo es absorbiert wird. Der direkte Nachweis
würde somit ein riesiges Satelliteninstrument erfordern.
Daher arbeiten die H.E.S.S.-Teleskope mit einem Trick: Sie nutzen die
Atmosphäre als Nachweismedium. Wenn Gammaquanten absorbiert werden, senden sie
kurze Blitze des sogenannten Cherenkov-Lichts aus - ein blaues Leuchten, das nur
einige milliardstel Sekunden andauert. Dieses Leuchten wird mit den großen
Spiegeln und empfindlichen Photosensoren der H.E.S.S.-Teleskope aufgefangen. Aus
diesen Daten erzeugen die Wissenschaftler dann Bilder astronomischer Objekte im
"Licht" hochenergetischer Gammastrahlen.
Sicher hält das All noch viele Überraschungen für die
H.E.S.S.-Wissenschaftler bereit. Erst vor wenigen Wochen berichteten die
Forscher von ihrer jüngsten Entdeckung: einem Gammastrahler neuen Typs. Zum
ersten Mal konnten sie hochenergetische Gammastrahlung einem Wolf-Rayet-Stern
zuordnen - einem massereichen Stern am Ende seines Lebens, aber noch vor seinem
"Tod" als Supernova.
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