Kosmische Entfernungsmesser
Redaktion / MPG
astronews.com
9. Februar 2007
Kosmologen sind zur Erstellung ihrer Modelle des Universums
auf möglichst exakte Entfernungsmessungen angewiesen. Nur so konnten sie
beispielsweise feststellen, dass sich die Expansion unseres Weltalls
beschleunigt. Als Entfernungsindikator diente den Forschern ein ganz bestimmter
Supernova-Typ. Doch ist dieser auch wirklich für diese Aufgabe geeignet?
Offenbar schon, wie europäische Astronomen jetzt feststellten.
Der Pfeil zeigt auf die Supernova 2002bo,
die Explosion eines weißen Zwergsterns in der Galaxie NGC 3190
im Sternbild Löwe - 60 Millionen Lichtjahre von der Erde
entfernt. Bild: MPG / Benetti et al., MNRAS 384, 261-278 (2004) |
Am Ende eines Sternenlebens, wenn der Stern schwer genug geworden ist, steht
eine gewaltige Explosion - die Supernova. Für einige Wochen erscheint eine
Supernova fast so hell wie eine ganze Galaxie mit Milliarden von Sternen. Die
hellsten dieser Supernovae bezeichnen Astrophysiker als Typ Ia. Ihre gemessene
scheinbare Helligkeit auf der Erde ist ein Maß für ihren Abstand zu uns - doch
dabei gibt es mehrere Unsicherheitsfaktoren. "Die Frage ist immer noch: Wie gut
sind Supernovae eigentlich als Entfernungsmaß geeignet, da zum Beispiel die
Erkenntnis, dass das Universum beschleunigt expandiert, zu einem großen Teil auf
Beobachtungen von Supernovae beruht", erklärt Prof. Wolfgang Hillebrandt. Denn
die Supernovae vom Typ Ia sind in ihrer Leuchtkraft untereinander sehr ähnlich,
aber doch nicht gleich.
Den Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Astrophysik und dem
Nationalen Astronomischen Institut Italiens ist nun ein Durchbruch gelungen. Sie
kamen zu dem Schluss, dass die Explosionsenergie der Typ-Ia-Supernovae nahezu
gleich ist - sie entspricht der Fusionsenergie, die ein weißer Zwergstern von
etwa dem anderthalbfachen der Masse der Sonne erbrüten kann. Die Mengen an
radioaktivem Nickel und mittelschweren chemischen Elementen wie Silizium
schwanken dagegen von Supernova zu Supernova und erklären ihre
Helligkeitsunterschiede. Eine Supernova leuchtet nämlich umso heller, je mehr
Nickel sie enthält.
Bei der Explosion entstehen durch nukleare Fusion von Kohlenstoff und
Sauerstoff große Mengen radioaktiver Atomkerne, bei einigen Supernovae vor allem
das radioaktive Isotop 56 des Elements Nickel. Die Energie aus seinem
radioaktiven Zerfall wird in der Supernova in Licht verwandelt. Die Fusion
liefert also sowohl die Energie für die Explosion als auch für das Licht. Die
Kernfusion kann allerdings auch bereits bei leichteren Atomkernen wie etwa
Silizium enden. Dabei entsteht zwar die gleiche Menge Energie, die Supernova
leuchtet aber nicht so hell. Diesen Fall erkennen die Forscher, wenn sie im
Lichtspektrum der Supernovae auch das Silizium sehen.
In ihrer Studie hatten die Wissenschaftler im Rahmen einer europäischen
Kooperation unter Führung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in den
letzten vier Jahren 20 Ia-Supernova-Explosionen jeweils über mehrere Wochen
untersucht. Anhand spektroskopischer und photometrischer Daten sowie aufwändiger
numerischer Simulationen kamen sie zu den Ergebnissen, die es nun ermöglichen
die bisherigen Eichmethoden zu verfeinern.
Astronomen kalibrieren Helligkeitsunterschiede bei den Supernovae nämlich mit
Hilfe ihrer Lichtkurven, also dem zeitlichen Verlauf, den die Helligkeit bei neu
entdeckten Supernovae nimmt. Die Lichtkurven der helleren Supernovae fallen
langsamer ab als die der lichtschwächeren. Das schwächste Glied in dieser
Eichmethode waren bisher aber die beschränkten Kenntnisse über die
Supernovaexplosionen selbst: Woher kommen die Unterschiede in ihrer Helligkeit,
und sind die gemachten Korrekturen gerechtfertigt? Die Supernovae, die zur
Entfernungsmessung in der Kosmologie ein Rolle spielen, explodierten, als unser
Sonnensystem gerade entstand oder noch früher. Es gibt deshalb keine Garantie,
dass es die gleichen Explosionen sind wie die, für die die Lichtkurven geeicht
wurden.
Um mögliche systematische Unterschiede ausschließen zu können, müssen
Wissenschaftler deshalb die Explosionen sehr gut verstehen - dazu haben die
Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Astrophysik und dem Nationalen
Astronomischen Institut Italiens jetzt einen großen Beitrag geliefert. "Unsere
überraschenden Ergebnisse liefern nun erstmals eine solide Grundlage dafür, dass
wir Supernovae als kosmische Entfernungsmesser nutzen können", sagt Wolfgang
Hillebrandt. "Wir verstehen jetzt die Unterschiede in der Helligkeit von
Supernovae besser und können deshalb in Zukunft dieses kosmische Metermaß genau
eichen." Davon profitieren auch Kosmologen, die aus der Helligkeit der
Supernovae auf dunkle Energie schließen können, die für die beschleunigte
Expansion des Universums verantwortlich ist, wie die Wissenschaftler glauben.
Die Astronomen berichten über ihre Arbeit in der heutigen Ausgabe der
Wissenschaftszeitschrift Science.
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