Satelliten entdecken heiße Blasen über der Erde
von
Hans Zekl
für
astronews.com
26. Juni 2006
Oberhalb der Tagseite der Erde fand das europäische
Satelliten-Quartett Cluster sowie einer der chinesischen Double
Star-Satelliten extrem heiße Blasen, die sich ständig bilden und rasch
wieder verschwinden. Vermutlich verdanken sie ihre Entstehung der Wechselwirkung des
irdischen Magnetfelds mit dem Sonnenwind.
Das
Cluster-Satelliten Quartett. Bild: ESA |
Gelegentlich sind auch in unseren Breiten Polarlichter zu beobachten. Ursache
dafür sind starke Eruptionen auf der Sonnenoberfläche, durch die ein gewaltiger
Partikelstrom ins All geblasen wird. Zum Glück verhindert das irdische
Magnetfeld, dass uns die volle Wucht dieses Partikelstroms trifft. Wie ein
Schutzschild lenkt es das Material in Richtung der Pole ab, wo es in rund 90
Kilometer Höhe mit dem Molekülen der Luft reagiert. Dennoch kommt es immer
wieder zu Ausfällen der Stromversorgung oder Schäden an
Kommunikationssatelliten.
Aber nicht nur nach einem starken Ausbruch muss das irdische Magnetfeld uns
vor schädlichen Einflüssen der Sonne schützen. Vielmehr weht um unseren Planeten
ein ungefähr 400 Kilometern pro Sekunde schneller, beständiger Teilchenstrom,
der Sonnenwind. Ohne den magnetischen Schutzschild hätte die Atmosphäre schon
lange Schaden genommen. Da die Teilchen des Sonnenwinds elektrisch geladen sind,
zwingen sie die Kraftlinien des Magnetfelds um die Erde herum. In Richtung der
Sonne bildet sich dabei ein Bugstoßwelle aus, ähnlich der Bugwelle vor einem
Schiff.
Um die komplexen Verhältnisse zu untersuchen, startete die europäische
Raumfahrtagentur ESA deshalb im Jahr 2000 im Rahmen der Cluster-Mission
vier identische Satelliten, die nach den lateinamerikanischen Tänzen, Salsa,
Samba, Tango, Rumba, benannt wurden (astronews.com berichtete). Sie fliegen in
Höhen zwischen 19.000 und 119.000 Kilometern in einer Formation um die Erde und
messen die Vorgänge und Struktur des Magnetfelds und seine Wechselwirkung mit
dem Sonnenwind.
Auf der Tagseite stießen sie dabei auf ein merkwürdiges Phänomen. Immer
wieder durchflogen die Cluster-Satelliten in einer Höhe von 83.000 bis
121.000 Kilometer Bereiche, in denen die Gasdichte plötzlich auf ein Zehntel
abnahm. Gleichzeitig sprang die Temperatur von 100.000 Grad Celsius auf 10
Millionen Grad. Anfangs hielt man dies für einen merkwürdigen
Instrumentenfehler. Doch jetzt konnte ein Forschungsteam um George Parks von der
University of California in Berkeley, USA, das Rätsel entschlüsseln: "Als
ich mir die Daten aller vier Cluster-Satelliten ansah, erkannte ich, dass
die Anomalien von allen gleichzeitig gesehen wurden. Da wusste ich, dass es sie
wirklich gibt."
Das gleiche Phänomen fand auch der chinesische Forschungssatellit Double
Star, der bei jedem Umlauf auf 20 bis 40 Blasen stieß. Durch sorgfältige
Analyse der Daten kommen die Wissenschaftler um Parks in einem Artikel in der
Fachzeitschrift Physics of Plasma Journal zu dem Schluss, dass die
superheißen Blasen rund 1000 Kilometer groß sind und wahrscheinlich für nur
zirka 10 Sekunden existieren, bevor sie auseinander platzen und durch Material
des kälteren und dichteren Sonnenwinds ersetzt werden.
Die Forscher vermuten die Energiequelle für diese Blasen im Zusammenstoß des
Sonnenwinds mit dem irdischen Magnetfeld in der Bugstoßwelle. Bislang war aber
unklar, wie die darin gespeicherte Energie wieder abgegeben wird. Die heißen
Blasen könnten die Lösung sein. Doch bis zur endgültigen Bestätigung ist es noch
ein weiter Weg. "Als nächstes müssen wir sie so genau wie möglich studieren.
Dann versuchen wir sie im Computer zu simulieren und erst danach werden wir
wissen, welchen Einfluss sie haben," beschreibt Parks das weitere Vorgehen.
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