Spiralarme länger als gedacht
von
Hans Zekl
für astronews.com
13. Juni 2006
Die Struktur unserer Heimatgalaxis, der
Milchstraße, ist bis heute nicht vollständig bekannt. Jetzt legten Astronomen
der University of California in Berkeley eine neue Analyse vor, nach der
sich die Spiralarme nicht symmetrisch um das Zentrum verteilen und deutlich
weiter hinaus ragen, als die Verteilung der Sterne erwarten lässt.
Dichteverteilung des Wasserstoffs in der äußeren
Milchstraßenscheibe. Gebiete erhöhter Dichte erscheinen rot oder
orange, solche mit weniger Gas in Grautönen. Eingezeichnet sind
ebenfalls die vier berechneten Spiralarme und die Position der
Sonne (Pfeil) Bild: Evan Levine / University of
California in Berkeley |
Die vermeintlich einfache Aufgabe, die Struktur der Milchstraße zu bestimmen,
stellt Forscher seit Jahrhunderten vor einige Probleme: Denn sie sehen praktisch
den Wald vor lauter Bäumen nicht. Unsere Position innerhalb des scheibenförmigen
Systems erschwert die Untersuchungen beträchtlich. Langwierige und schwierige
Messungen an unzähligen Sternen sind dafür notwendig.
Zusätzlich behindert der interstellare Staub die Sicht auf die entfernteren
Regionen. Nur allzu oft verschluckt er das Licht der Sterne, die mehr als ein
paar tausend Lichtjahre entfernt sind. Doch gibt es einen Ausweg. Für
Radiowellen ist der Staub praktisch nicht vorhanden. Zusätzlich strahlt hier das
im Universum am häufigsten vorhandene Element, Wasserstoff, bei einer
Wellenlänge von 21 Zentimetern. Doch steckt allerdings auch hier der Teufel im
Detail, denn die Dichteunterschiede sind nicht leicht zu messen.
Deshalb nahmen sich Evan Levine und seine Kollegen Leo Blitz und Carl Heiles
von der University of California in Berkeley sich des Problems erneut an.
Dazu bearbeiteten sie nochmals die Daten des Leiden/Argentine/Bonn (LAB) Survey
des galaktischen neutralen Wasserstoffs. Um den Kontrast zu verstärken, wendeten
sie ein Verfahren an, das auch in der Fotografie benutzt wird, die unscharfe
Maske. So stellten sie fest, dass die Spiralarme unserer Milchstraße bis zu
einer Entfernung von mindestens 80.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum
reichen.
"Wir konnten die Spiralstruktur der
gesamten Gasscheibe außerhalb der Bahn der Sonne um das Milchstraßenzentrum bis
zum Scheibenrand kartieren," erläuterte Leo Blitz das Ergebnis.
"Damit besitzen wir das bislang genaueste und
vollständigste Bild der Spiralstruktur der Scheibe. Es zeigt uns, dass die Arme
deutlich weiter hinaus reichen, als es die Sterne vermuten lassen. Das
entspricht nicht der Theorie des Ursprungs der Spiralstruktur, die deshalb
überarbeitet werden muss."
Auch verteilen sich die Arme nicht gleichmäßig um das Zentrum. In einigen
Bereichen sind mehr von ihnen zu finden als in anderen. In der Umgebung der
Sonne befinden sich demnach vier Spiralarme. Noch sind eine Reihe von Fragen
ungeklärt. Beispielsweise lässt sich die Struktur hinter dem Milchstraßenzentrum
noch nicht bestimmen. Offen ist auch, ob die Arme noch weiter reichen, denn
turbulente Bewegungen des Gases verzerren hier das Bild zu stark.
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