Bleiben Fahrstühle ins All ein Traum?
von Rainer Kayser
26. Mai 2006
Es klingt nach Science Fiction, doch viele Techniker glauben
fest daran, dass mit Hilfe moderner Werkstoffe bald Fahrstühle kostengünstig
Nutzlasten ins All transportieren können. Eine italienische Studie kommt
allerdings zu einem anderen Schluss: Mit dem heutigen Wissen lassen sich keine
Seile herstellen, die den extremen Belastungen eines solchen Aufzugs gewachsen
wären.
Alles nur ein Traum?
So zuminderst stellt sich der Künstler Pat Rawlings einen
Weltraumlift vor.
Bild: NASA / MSFC
|
Sie sind der Traum vieler Raumfahrt-Enthusiasten: Weltraumfahrstühle, die an
ultrastabilen Seilen aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen billig Nutzlasten ins All
befördern. Nun hat diese Vision einen unerwarteten Dämpfer erhalten.
Berechnungen eines italienischen Forschers zeigen, dass unvermeidliche Defekte
in den Nanoröhrchen die Seile schließlich so sehr schwächen, dass der Bau eines
Weltraumfahrstuhls unmöglich ist. Der Wissenschaftler veröffentlicht seine
ernüchternden Ergebnisse demnächst im Fachblatt "Journal of Physics: Condensed
Matter".
"Mit der heute verfügbaren Technologie ist der Bau eines Weltraumfahrstuhls
nicht möglich", lautet der eindeutige Befund von Nicola Pugno vom Politecnico
di Torino. Zwar besitzen Nanoröhrchen eine geradezu unglaubliche
Zugfestigkeit von 100 Gigapascal, die sie als idealen Werkstoff für die Seile
eines Weltraumfahrstuhls erscheinen lassen.
Doch bei der Herstellung des
Materials lassen sich Strukturfehler nicht vermeiden. Das Fehlen eines einzigen
Kohlenstoffatoms vermindert die Festigkeit bereits um 30 Prozent, so Pugno. Und
solche Fehler treten bereits alle vier Mikrometer auf. Noch gravierender ist das
gleichzeitige Fehlen mehrerer Atome, dass zwar statistisch seltener ist, aber
über die enorme Länge eines Weltraumfahrstuhls häufig genug vorkommt, um das
Seil für den Lastentransport ins All untauglich zu machen.
Die Idee des Weltraumfahrstuhls geht auf den Schriftsteller Arthur C. Clarke
zurück, der die Technik in den siebziger Jahren in einer Science-Fiction-Novelle
beschrieb. Das Trägerseil eines solchen Fahrstuhls erstreckt sich vom Erdboden
aus 100.000 Kilometer weit ins All. Durch die konkurrierenden Kräfte der
Gravitation und der Fliehkraft wird es automatisch auf Spannung gehalten. Die
Nutzlasten "klettern" per mechanischem Antrieb an dem Seil nach oben. Am Ende
des Fahrstuhls hätten die Nutzlasten eine Geschwindigkeit, die sogar ausreichen
würde, jedes Ziel im Sonnensystem ohne weiteren Antrieb zu erreichen.
Das Seil eines Weltraumfahrstuhls müsste eine Zugfestigkeit von mindestens 62
Gigapascal besitzen. Nach den Berechnungen von Pugno lassen sich jedoch selbst
unter den besten Fabrikationsbedingungen kaum mehr als ein Gigapascal erzielen.
Zudem bestünde die Gefahr, dass das Seil durch Mikrometeoriten und chemische
Erosion in der Atmosphäre weiter geschwächt würde. So bleibt die Vision von
Arthur C. Clarke wohl vorerst ein unerfüllbarer Traum.
|