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DUNKLE MATERIE
Sterile Neutrinos und die ersten Sterne
Redaktion / MPG
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15. März 2006

Die Natur der Dunklen Materie gehört zu den wohl größten Rätseln der modernen Naturwissenschaft. Zwei Wissenschaftler haben nun eine Theorie entwickelt, nach der diese aus sogenannten sterilen Neutrinos besteht. Dadurch könnten Sterne zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Universums entstehen und sich auch manch andere Beobachtung recht einfach erklären lassen.

Gitarrennebel

Der Kopf des so genannten "Gitarren-Nebels", aufgenommen mit dem Weltraumteleskops Hubble in den Jahren 1994 (oben) und 2001 (unten). Der Nebel enthält an der Spitze des Konus einen Pulsar mit hoher Eigengeschwindigkeit, der einen Schweif interstellaren Gases hinter sich herzieht. Mit den Teilchen der Dunklen Materie, wie sie von Biermann & Kusenko postuliert werden, kann man die rätselhaft hohen Pulsargeschwindigkeiten erklären, die zu solch konusförmigen Nebeln führen. Bild: Hubble Space Telescope (NASA/ESA), Shami Shatterjee 200

Dunkle Materie könnte zur Entstehung von Sternen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Universums geführt haben. Voraussetzung dafür ist, dass diese Dunkle Materie aus "sterilen" Neutrinos aufgebaut ist. Peter Biermann, Max-Planck-Institut für Radioastronomie, und Alexander Kusenko, University of California at Los Angeles, USA, zeigen in einer aktuellen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Physical Review Letters, dass der Zerfall solcher sterilen Neutrinos die Entstehung von molekularem Wassserstoff deutlich beschleunigt und dadurch zum Aufleuchten der ersten Sterne nur 20 bis 100 Millionen Jahre nach dem Urknall selbst führt. Die Strahlung dieser ersten Generation von Sternen wiederum ionisierte das umgebende interstellare Gas in einem Zeitraum von 150 bis 400 Millionen Jahren nach dem Urknall. Das erklärt bisher rätselhafte Beobachtungsergebnisse in einer einfachen Weise.

Die Entdeckung, dass Neutrinos eine Masse haben, resultiert aus Neutrino-Oszillations-Experimenten. Daraus lässt sich auch die Existenz einer neuen Art von Neutrinos postulieren, nämlich rechtshändige oder "sterile" Neutrinos, die an der schwachen Wechselwirkung nicht direkt, sondern nur über ihre Vermischung mit gewöhnlichen Neutrinos teilnehmen. Die Gesamtanzahl steriler Neutrinos im Universum ist nicht bekannt. Wenn ein solches Neutrino jedoch eine Masse von nur wenigen Kiloelektronenvolt aufweist (1 keV ist ein Millionstel der Masse eines Wasserstoff-Atoms), so kann man damit den fehlenden Masseanteil im Universum erklären, der auch als Dunkle Materie bezeichnet wird. Eine Reihe astrophysikalischer Beobachtungen unterstützt die Vermutung, dass sich die Dunkle Materie aus solchen sterilen Neutrinos zusammensetzen könnte.

Die neue Theorie der beiden Forscher wirft Licht auf eine Reihe astronomischer Rätsel, die bisher nicht befriedigend erklärt werden konnten. Erstens könnten sterile Neutrinos im Urknall gerade in dem Maß erzeugt werden, das für die Erklärung der Dunklen Materie vonnöten ist. Zweitens kann man mit diesen Partikeln die lange Zeit rätselhaften hohen Eigengeschwindigkeiten von Pulsaren erklären.

Pulsare, also mit sehr hoher Geschwindigkeit rotierende Neutronensterne, entstehen in einer Supernova-Explosion und werden dabei vorzugsweise in nur eine Richtung herausgeschleudert. Dadurch erhält der Neutronenstern einen Schub, ähnlich wie bei einem Raketentriebwerk. Man kennt Pulsare mit Eigengeschwindigkeiten von Hunderten von Kilometern pro Sekunde, einige sogar mit über 1.000 Kilometer pro Sekunde. Die Ursache für diese hohen Geschwindigkeiten war bisher nicht bekannt, aber die Emission von sterilen Neutrinos könnte den dafür benötigten Schub erklären.

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Ein sehr schneller Pulsar befindet sich im so genannten Gitarren-Nebel. Ist die Dunkle Materie aus jenen Teilchen aufgebaut, die nach dem Modell von Biermann und Kusenko zur Re-Ionisierung des Universums geführt haben, so sind es die gleichen Teilchen, die aus der Supernova-Explosion ausströmten und diese "kosmische Gitarre" geformt haben.

Drittens lässt sich durch sterile Neutrinos auch das Fehlen von Antimaterie im Universum erklären. In einer frühen Phase des Universums könnten die sterilen Neutrinos die so genannte Leptonenzahl aus dem Plasma "gestohlen" haben. Diese fehlende Neutronenzahl hätte dann - zu einem späteren Zeitpunkt - zu einer von Null verschiedenen Baryonenzahl im Universum geführt. Und die daraus resultierende Asymmetrie zwischen Baryonen (wie z.B. Protonen) und Antibaryonen (Antiprotonen) wäre dann die Ursache für das Fehlen von Antimaterie in unserem Universum.

"Die Entstehung von Schwarzen Löchern in den Zentralbereichen von Galaxien und deren Struktur auf sehr kleinen (sub-galaktischen) Skalen bringen sterile Neutrinos zur Erklärung der Dunklen Materie ins Gespräch. Das Zusammenspiel von mehreren indirekten Beweisen führt uns zu der Annahme, dass das lange gesuchte Partikel der Dunklen Materie in der Tat ein steriles Neutrino ist", so Peter Biermann.

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