Der
Geschichte der Galaxien auf der Spur
Redaktion
astronews.com
14. Januar 2005
Die
kinematische Entwicklung ferner Galaxien untersuchen Astronomen an der
Sternwarte der Universität Göttingen: Die Forscher vergleichen dabei ihre
spektroskopischen Messungen der fernen Systeme mit dem optischen
Erscheinungsbild. Und dies offenbar erfolgreich: Die VolkswagenStiftung hat nun
die Förderung der seit 2001 bestehende Forschernachwuchsgruppe bis Ende 2006
verlängert.
Der mehrere Milliarden Lichtjahre entfernte
Galaxienhaufen MS 1008-12.
Die Signatur der Rotation im Spektrum einer weit entfernten
Spiralgalaxie. Fotos: Universität Göttingen / idw |
Die kinematische Entwicklung ferner Galaxien untersuchen
Nachwuchswissenschaftler an der Sternwarte der Universität Göttingen: Die
Forscher vergleichen dabei ihre spektroskopischen Bewegungsmessungen, aus denen
unter anderem die Gesamtmasse der Galaxien bestimmt werden kann, mit dem
optischen Erscheinungsbild eines Sternsystems. Dazu wird das mit Teleskopen
"eingefangene" Sternenlicht in seine Bestandteile zerlegt. Ein solches Spektrum
erlaubt unter anderem Einblicke in die Dynamik und Entstehungsgeschichte von
Himmelskörpern oder gibt Auskunft über die Häufigkeit dort vorkommender
chemischer Elemente.
Nach der erfolgreichen Evaluation durch eine internationale
Gutachterkommission wird die VolkswagenStiftung (Hannover) ihre Förderung für
diese seit 2001 bestehende Forschernachwuchsgruppe auf dem Gebiet der
Astrophysik bis Ende 2006 fortsetzen. Damit erreicht das Göttinger Team unter
der Leitung von Dr. Bodo Ziegler die maximale Förderdauer von sechs Jahren mit
einem Fördervolumen von insgesamt 1,2 Millionen Euro.
Vor rund 80 Jahren fanden Wissenschaftler erste Hinweise dafür, dass das
Universum vor 14 Milliarden Jahren aus einem Urknall entstanden ist und sich
seitdem ausdehnt. Inzwischen besteht aufgrund zahlreicher Messungen kein Zweifel
daran, dass das Weltall einen zeitlichen Anfang hatte und die heute bekannten
Strukturen das Ergebnis einer komplexen Entwicklung sind. "Unsere Forschungen
basieren darauf, dass die Untersuchungen von Galaxien in unterschiedlichen
Entfernungen einem Blick in verschiedene Epochen ihrer Entwicklung entsprechen",
erläutert Dr. Ziegler.
"Eine Galaxie in 100 Millionen Lichtjahren Entfernung
erscheint uns in dem Zustand, den sie vor 100 Millionen Jahren hatte, denn so
lange war das Licht unterwegs, bis es uns erreicht hat. Unsere Beobachtungen
betreffen sogar einen Bereich, der das halbe Weltalter, also rund sieben
Milliarden Jahre, umfasst", so der Astrophysiker. Je nach Umgebungsdichte sind
die Sternsysteme im Laufe der Jahrmilliarden verschiedenen, teils spektakulären
Wechselwirkungen ausgesetzt. "Galaxien können sich gravitativ gegenseitig stören
oder gar verschmelzen und dadurch zum Beispiel eine bedeutende Steigerung ihrer
Sternentstehungsrate und damit ihrer Helligkeit erfahren."
Die Göttinger Wissenschaftler beschäftigen sich mit zwei Haupttypen von
Galaxien im Universum. Dazu gehören gasreiche Scheibengalaxien mit Spiralarmen
und aktiver Sternentstehung, zu denen auch die Milchstraße zählt, sowie gasarme
Elliptische Galaxien mit vorwiegend alten Sternen. "Anhand ihrer Eigenschaften
in unterschiedlichen kosmischen Epochen lassen sich fundamentale Modelle zur
Strukturentstehung und -entwicklung testen", sagt Dr. Asmus Böhm, der sich in
der Forschernachwuchsgruppe inbesondere mit den Spiralgalaxien befasst. Im
Gegensatz zu früheren Untersuchungen, bei denen "nur" das Sternenlicht der
Galaxien erforscht wurde, schließen die kinematischen Messungen der Göttinger
Wissenschaftler auch jenen Teil der Materie mit ein, der unsichtbar ist.
Die Natur dieser geheimnisvollen "Dunklen Materie" ist bislang noch
unbekannt, sie hat aber einen weit größeren Anteil an der Gesamtmasse einer
Galaxie und am Materieinhalt des Universums insgesamt als die leuchtende
Materie. "Wenn wir die Geschwindigkeit, mit der sich Sterne und Gas um das
Zentrum einer Galaxie bewegen, als Funktion des Abstandes vom Mittelpunkt
auftragen, so verläuft diese so genannte Rotationskurve anders, als dies die
Verteilung der sichtbaren Materie erwarten lässt. Dies lässt darauf schließen,
dass Spiralgalaxien von einem Halo, einem Ring dunkler Materie umhüllt sind",
sagt Dr. Klaus Jäger, der in der Gruppe für die Analyse von Spiralen in
Galaxienhaufen zuständig ist. "Wenn Sternsysteme von außen in einen
Galaxienhaufen hineinfallen, verlieren sie durch den Einfluss der Gravitation
ihrer zahlreichen Nachbarn möglicherweise einen Teil ihres dunklen Halos und
zeigen dramatische Veränderungen ihrer internen Bewegung."
Die Messungen, mit denen die Wissenschaftler der Georg-August-Universität den
kinematischen Signaturen auf die Spur kommen, werden mit den größten Teleskopen
der Welt durchgeführt; sie bewegen sich am Limit des derzeit technisch
Machbaren, erläutert Alexander Fritz aus Wien, der in der Göttinger
Forschernachwuchsgruppe an seiner Dissertation arbeitet. Das Team profitiert
dabei von der Beteiligung der Universitäts-Sternwarte am Very Large Telescope
der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile, dem Hobby-Eberly Telescope
in den USA und dessen 2005 in Betrieb gehenden Zwilling SALT in Südafrika.
Ein
besonderer Erfolg war das Einwerben von Beobachtungszeit am Weltraumteleskop
Hubble. Mit den hochauflösenden Aufnahmen des außerhalb der Atmosphäre
kreisenden Observatoriums sind die Forscher in der Lage, die aus den
kinematischen Messungen abgeleiteten Störungen der Galaxien im Detail mit ihrem
optischen Erscheinungsbild zu vergleichen.
Einen wichtigen Aspekt der Forschungsarbeiten bildet die intensive
Kooperation mit Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland. Dies spiegelt sich
auch in der Zusammensetzung der Forschernachwuchsgruppe wider. Seit Beginn des
vergangenen Jahres ist mit Miguel Verdugo aus Chile ein weiterer Doktorand
Mitglied im Team. Im Dezember 2004 hat außerdem Dr. Christiano da Rocha aus Sao
Paulo (Brasilien) seinen einjährigen Forschungsaufenthalt als
Gastwissenschaftler in der Gruppe begonnen.
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