Wie Spocks
Tricorder - nur größer und besser
Redaktion
astronews.com
4. Oktober 2004
Es ist noch
nicht ganz der handliche Tricorder, mit dem Mr. Spock auf der Enterprise seine
Analysen anstellt. Doch das Schreibtisch-große Instrument, das in Aachen und
Jülich im Auftrag der europäischen Weltraumagentur ESA entwickelt wurde, stellt
schon einen gewaltigen Fortschritt dar: die Vorgängerexperimente
benötigten einen 270 Meter großen Speicherring und hatten den Energiebedarf
einer Kleinstadt.
Dr. Walter Schröder am neuen Prototyp. Für den Einsatz im
Weltraum muss das Gerät noch weiter verkleinert werden.
Für jedes Element kann seine Verteilung in der Probe dargestellt
werden. (Querschnitt Feinwurzel Mahagoni, 0,5 Millimeter
Durchmesser) Fotos:
Forschungszentrum Jülich |
Das "Fluoreszenz-Tomographiegerät" hat noch nicht ganz die handliche Größe des
Tricorders erreicht, mit dessen Hilfe Mr. Spock seine Kollegen von der
"Enterprise" in Sekundenschnelle über die chemische Zusammensetzung der
Atmosphäre eines fremden Planeten informiert. Dafür kann es aber mehr: Das
schreibtischgroße Gerät erstellt automatisch ein detailliertes Bild der
Verteilung chemischer Elemente in einer biologischen oder mineralischen Probe
und ermöglicht einen zerstörungsfreien Blick ins Innere. Entwickelt wurde es von
Wissenschaftlern der Technischen Hochschule Aachen und des Forschungszentrums
Jülich.
"Wir haben selber nicht geglaubt, dass es so schnell gehen würde", kommentiert
der Biophysiker Dr. Walter Schröder vom Institut Phytosphäre des
Forschungszentrums Jülich die Fertigstellung des rund eine halbe Millionen Euro
teuren Prototyps und dessen erfolgreiche TüV-Abnahme Ende August. Vor zwei
Jahren hatte die europäische Weltraumbehörde ESA das Jülich-Aachener-Team damit
beauftragt zu zeigen, dass der Bau eines derartigen chemischen Analysegerätes im
Labormaßstab möglich ist. Wichtig war für die ESA zunächst, dass das Gerät
weitgehend selbständig arbeitet. Damit wird eine umfangreiche Einarbeitung von
Astronauten in die Bedienung des Gerätes überflüssig. Die Wissenschaftler "am
Boden" erweitern mit dem transportablen Prototyp ihre analytischen
Möglichkeiten.
In der Arztpraxis wird ein Körper großflächig mit Röntgenstrahlen durchleuchtet,
um eine Fotografie des Körperinnern zu erstellen. Bei der
Fluoreszenz-Tomographie wird hingegen ein "Mikrostrahl" mit harter, also
energiereicher Röntgenstrahlung dazu benutzt, Atome in der zu untersuchenden
Probe anzuregen. Daraufhin senden diese Atome eine Strahlung - die
Röntgenfluoreszenz - aus, die charakteristisch für das jeweilige chemische
Element ist und von einem Detektor erfasst wird.
Um ein Bild der Verteilung eines bestimmten chemischen Elementes erstellen zu
können, müssten die Wissenschaftler die Probe mit dem Mikrostrahl Punkt für
Punkt abtasten. "Das tun wir nicht wirklich", sagt Schröder. "Wir schießen einen
Röntgenstrahl entlang einer geraden Linie durch die Probe. Dann versetzen wir
die Probe etwas und regen die nächste Linie an, bis die ganze Probe - nach
schrittweisen Drehungen - abgedeckt ist." Aus den gesammelten Daten errechnen
die Wissenschaftler dann mit einem komplizierten mathematischen Verfahren das
Bild. Die vollständige Abtastung der Probe dauert zwei Tage. Im Gegensatz zu
herkömmlichen Mikrosonden-Analysemthoden - bei denen Elektronenstrahlen oder
Partikelstrahlen verwendet werden - liegt der große Vorteil bei der Abtastung
mit Röntgenstrahlen in der vollständigen Durchdringung der Probe.
Dadurch wird
es möglich, "virtuelle Schnitte" zu erzeugen, und es ist nicht mehr notwendig,
das zu untersuchende Material in dünne Scheiben zu schneiden. Denn insbesondere
bei biologischen und medizinischen Proben werden durch die Schnitte die
chemischen Elemente umverteilt und die Ergebnisbilder verfälscht. "Bei
Pflanzenmaterial, dessen chemische Analyse uns im Institut Phytosphäre besonders
interessiert, sind solche Schnitte oft gar nicht möglich", erläutert Walter
Schröder.
Die Auflösung des Analysebildes hängt vom Durchmesser des Röntgenstrahls ab. Das
in Kooperation mit der Aachener Gruppe um Prof. Bruno Lengeler und Dr. Christian
Schroer entwickelte Tischgerät verwendet als Strahlungsquelle eine "Microfocus"
Röntgenröhre, die einen fein gebündelten Mikrostrahl erzeugt. So wird eine
Auflösung von zehn Tausendstel Millimetern erreicht. "Damit können wir die
zelluläre Ebene biologischer Proben untersuchen, was für uns sehr wichtig ist",
erklärt Walter Schröder.
Bis vor kurzem benötigten die Wissenschaftler für ihre Experimente noch den im
Durchmesser etwa 270 Meter großen Speicherring des europäischen Synchrotrons
ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) in Grenoble als
Röntgenquelle. Dieser bietet zwar mit etwa 250 Millionstel Millimetern eine
bessere Auflösung, hat jedoch mit allem Zubehör die Größe und den Energiehunger
einer Kleinstadt. Bei dem ESA-Projekt stand die Verkleinerung des Gerätes im
Vordergrund, die jetzt mit dem Prototyp erfolgreich demonstriert wurde.
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