Drachenkopf und liegendes H
Redaktion
astronews.com
16. April 2004
Neue Aufnahmen der Oberfläche des Saturnmondes Titan von bisher
unerreichter Klarheit und Schärfe sind einer internationalen Gruppe von
Wissenschaftlern unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für
Astronomie in Heidelberg gelungen. Die Messungen wurden mit einem
neuartigen Beobachtungsinstrument am Very Large Telescope (VLT)
der ESO in Chile durchgeführt. Die Forscher gaben einigen Formationen
auf dem Mond sogar vorläufige Namen.
Ausschnitt einer Landkarte der Oberfläche Titans. Bild:
Max-Planck-Institut für Astronomie / ESO [Gesamtansicht] |
Titan ist der größte Mond des Ringplaneten Saturn und - fast gleichauf mit dem
Jupitermond Ganymed - der zweitgrößte Mond im Sonnensystem. Als einziger Mond
weist er eine dichte Atmosphäre auf, deren Druck in den untersten Schichten etwa
anderthalb mal so groß ist wie der Luftdruck auf der Erde. Ähnlich der
Erdatmosphäre besteht Titans Atmosphäre größtenteils aus Stickstoff. Ihr
zweithäufigster Bestandteil ist allerdings nicht Sauerstoff sondern das bei uns
als Treibhausgas bekannte Methan. Dichte Wolken aus Methan und anderen
Kohlenwasserstoffen hüllen Titan ein und verhindern bisher in fast allen
Wellenlängenbereichen einen direkten Blick auf seine Oberfläche.
Bisherige Untersuchungen der Wolken lassen auf einen auf Methan aufbauenden
Wetterkreislauf ähnlich der irdischen Wasserzirkulation schließen. Kürzlich von
Wissenschaftlern in den USA durchgeführte Radarmessungen deuten ferner darauf
hin, dass ein Teil der etwa -175 Grad Celsius kühlen Titanoberfläche von einem
Ozean aus verflüssigten Kohlenwasserstoffen bedeckt ist. Mit seiner dichten
Atmosphäre, dem Wetterkreislauf und möglichen Ozeanen an seiner Oberfläche ist
Titan somit neben der Erde im Sonnensystem einzigartig.
Im Februar 2004 wurde Titan in sechs Nächten mit dem im Infraroten arbeitenden
Instrument NACO am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen
Südsternwarte ESO beobachtet. NACO (Kurzform für NAOS-CONICA) ist eine
Kombination aus einem in Frankreich gebauten Instrument zur adaptiven Optik (NAOS)
und der unter Führung des Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg
gebauten Infrarotkamera CONICA. Dabei wurde ein neuartiges Zusatzgerät
eingesetzt, das speziell zur Untersuchung von Objekten mit Methanatmosphäre
entwickelt wurde. Mit diesem Gerät, dem so genannten Spectral Differential
Imager (SDI), entwickelt und gebaut von Rainer Lenzen (Max-Planck-Institut
für Astronomie) und Laird Close (Steward Observatory), werden Bilder in mehreren
benachbarten Wellenlängen gleichzeitig aufgenommen. Während man in einer
Wellenlänge nur das Licht registriert, das von den Wolken in der Hochatmosphäre
gestreut wird ("Wolkenbilder"), kann man in benachbarten Wellenlängen deutlich
und klar Strukturen auf der Oberfläche sehen, da die Methanwolken hier
transparent sind.
Die "Wolkenbilder" werden dazu benötigt, aus den "Oberflächenbildern" die
Effekte der Lichtstreuung in der Atmosphäre Titans herauszurechnen. Die unter
der Leitung von Markus Hartung (ESO) und Tom Herbst (Max-Planck-Institut)
durchgeführten Beobachtungen erstreckten sich über einen Zeitraum von einer
Woche und überdecken 75 Prozent der Oberfläche Titans. Die resultierende
Oberflächenkarte zeigt helle und dunkle Strukturen auf Titan. Teile der
Oberfläche reflektieren viel Sonnenlicht, während andere Teile das meiste Licht
absorbieren. Bei den hellen Strukturen mit hohem Reflexionsvermögen könnte es
sich um die von Eis bedeckten "Kontinente" oder Hochebenen Titans handeln. Die
dunklen Strukturen mit niedriger Albedo lassen sich als Ozeane deuten. Auffällig
sind die helle Region in Titans südlicher Hemisphäre und die Abfolge dunkler
Regionen in der Äquatorregion.
Zur besseren Orientierung haben die Wissenschaftler den dunklen Regionen
vorläufige Namen gegeben. Endgültige, offizielle Namen werden erst zu einem
späteren Zeitpunkt von der Arbeitsgruppe zur Benennung der Objekte im
Sonnensystem der Internationalen Astronomischen Union (IAU) vergeben. Die
Wissenschaftler werden die Beobachtung von Titan in den kommenden Monaten
fortsetzen, um eine vollständige Karte der Oberfläche Titans zu erstellen und
damit das Projekt Huygens der Europäischen Weltraumbehörde ESA zu
unterstützen. Detailliertere Oberflächenkarten werden sowohl bei der Planung des
Landeanfluges von Huygens als auch bei der Interpretation der
Messergebnisse der gemeinsam von NASA und ESA durchgeführten Cassini-Huygens-Mission
zum Titan hilfreich sein.
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